Vom Arztdasein in Amerika

Armer deutscher Internist

  • Donnerstag, 18. Oktober 2012

Als ich kürzlich zu Besuch in Berlin war, kam ich an einer Arztpraxis vorbei. Ich blieb stehen und betrachtete das fast schon gammelige Internistenschild, betrachtete die teils verblichenen Schriftzeichen, die heruntergekommene Tür und die davon zum Teil schon abbröckelnde Farbe. Ich musterte den Flur nun genauer und stellte fest, dass der Flurboden schon sehr abgetreten wirkte und dass es ein wenig darin zur frühen Nachmittagszeit müffelte.

Etwas erschrocken trat ich zurück als ich sah wie die Tür aufging und ein älterer Mann mit einem Rezept herausschlurfte. „Es ist ja eine aktive Praxis!“, schoss es mir durch den Kopf, denn innerlich hatte ich auf eine geschlossene Arztpraxis angesichts des äuβeren Erscheinens getippt. Durch den Türspalt sah ich im Hintergrund wohl an die zehn Patienten in einem etwas heruntergekommenen Wartesaal mit Rauhfasertapete sitzen und bemerkte einen abgewetzt wirkenden Teppich. Dann ging die Tür mit lautem Quietschen hinter dem Patienten zu, und ich sah wieder das alt wirkende Praxisschild.

Mit Erschrecken stellte ich fest, dass es einem Facharzt für Innere Medizin gehörte, also ein deutscher Fachkollege von mir. Ich machte schnell vier Bilder vom Schild, Flur und von der Tür und ging eilig davon, irgendwie ein ungutes Gefühl angesichts der Situation.

In den USA zeigte ich die Bilder einem internistischen Kollegen – so arm ist man als Internist, wenn man eine anscheinend gut besuchte Praxis in einer gehobenen Berliner Gegend besitzt, dachte ich. Wir konnten nur den Kopf darüber schütteln. Wieso lässt ein deutscher Kollege so mit sich seitens der Krankenversicherungen und des Staates umspringen, dass er anscheinend nicht ausreichend Geld für eine ansehnliche Ausstattung erhält? Wieso lassen deutsche Kollegen das mit sich machen? Das verstehe ich nicht.

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