Das dicke „O“ des Dr. Obama
Eine Visite aus Sicht eines US-amerikanischen Republikaners: Morgens um 7 Uhr, während die demokratische Patientin noch schläft, tritt der republikanische Arzt, der schon seit zwei Stunden arbeitet, ins Patientenzimmer zur Visite einer Demokratin ein. Er kommt zur 47-jährigen, deutlich übergewichtigen Patientin, die an einer hypertriglyzeridbedingten Pankreatitis erkrankt ist und weckt sie auf. Sie ist ungehalten – „schon so früh?”. Der Ehemann schläft neben ihr, trägt sein Obamakampagnenhemd seit Tagen und das „O” von „Vote Obama” ist um seinen halben Bauch herum aufgrund des Leibesumfanges gedehnt; es springt jedem sofort ins Auge.
Der republikanische Arzt weiß, dass die Patientin Medicaid bezieht, sie also Staatsgelder erhält und keinen Cent auβer ihren minimalen Steuern für ihr Krankenversicherung beiträgt. Das bedeutet, dass er somit sich gerade selber seine eigene Visite bezahlt, sieht man von der Tatsache ab, dass der Staat das von Medicaid ihm bezahlte Visitengeld zum Steuersatz von 34% bei ihm versteuert, und er somit eben nur 66% seines eigenen Nettosteuergeldes wieder zurückerhält und somit einen Abschlag hinnimmt für die Visite. „Ineffizientes Staatssystem”, denkt er bei sich bei diesem Gedanken.
Die Patientin hat ihre Erkrankung – zum großen Teil – selbst verschuldet, das ist klar. Gewichtsabnahme ist für fast jede Erkrankung die einfachste Lösung in der modernen Gesellschaft, wie jeder Internist es bei adulten Patienten propagieren sollte. Doch wie unendlich schwer für so viele.
Die Patientin will davon nichts wissen – „wissen Sie, wie weh mir meine Knie tun? Wenn sie doch erst einmal ersetzt wären!” und beschwert sich, dass nicht jeder Orthopäde Medicaid-Patienten nimmt. „Die müsste man doch einfach zwingen” und propagiert staatlichen Zwang wie so viele Demokraten es tun. Dann fragt sie nach Medikamenten, um eine Rezidivpankreatitis zu vermeiden. Der Arzt verschreibt ihr Atorvastatin und Gemfibrozil, im Wissen, dass er das selber via Steuergelder bezahlen wird und unsicher, ob sie sie überhaupt nehmen wird. Weil sie etwas im Internet gelesen hat über Nebenwirkungen oder einfach zu beschäftigt mit Essen und Fernsehen ist.
Dann Beschweren, weil der Arzt sich nicht ausreichend Zeit genommen hat und die Patientin schon entlassen will; „damit für andere kranke Menschen das Bett zur Verfügung steht und weil alle Werte wieder normal sind”. Das akzeptiert sie nicht. Obwohl sie doch so für Dr. Obama und Gerechtigkeit eintritt, Gerechtigkeit, die Dr. Obama für alle in seinen öffentlichen Reden einfordert.
„Ja”, denkt sich der Arzt, „Gerechtigkeit für alle, aber nur wenn die anderen dafür bezahlen und man selber es nicht tut. Gerechtigkeit, die aber die eigene Freiheit nicht einschränken darf. Das ist der demokratische Weg”.
Die Familie geht endlich nach Hause, ruft jedoch noch Tage später an, weil sie Schmerzmedikamente verschrieben haben will. Sie könnten sich nicht die ambulanten Praxiskosten leisten, deshalb soll der Hospitalist die Rezepte ausstellen. „Dabei wird ein Praxisbesuch zu 100% von Medicaid bezahlt”, wie der nicht dumme republikanische Arzt weiβ, „das sind doch Ausflüchte”, stellt aber dennoch das Rezept aus, weil er einfach ein richtig netter Arzt ist.
Sie rufen ihn noch einige Male an, und beim Telefonieren schnauft der dicke Ehemann aufgrund seiner Adipositas laut im Hintergrund, und es ist klar, daβ sich das dicke „O” von Obama” auf seinem Bauch dabei immer ein wenig von links nach rechts und umgekehrt bewegt.
Es wird dem Arzt in jenem Moment zum wiederholten Mal klar, daβ Dr. Obama die Wahl gewinnen wird – denn wer will nicht so ein Leben, bei dem Gerechtigkeit herrscht, aber von den anderen und nicht einem selbst bezahlt wird. Und wo der Arzt morgens um fünf Uhr mit der Visite beginnt, wenn das Ehepaar noch am Schlafen ist. „Ein republikanischer Tag beginnt auf der einen, ein demokratischer auf der anderen”, würde der republikanische Arzt denken wenn er Zeit dafür inmitten seiner Visite hätte.
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