Vom Arztdasein in Amerika

Dauernd erreichbar

  • Mittwoch, 5. November 2014

Bilde ich mir das ein oder werde ich von Monat zu Monat „erreichbarer“? Ich erinnere mich noch, wie ich als PJ‘ler ein Stationspiepser oder manchmal gar ein Stationstelefon mit mir herumtrug, meistens aber unbehelligt blieb und nur wenige Anrufe zu erdulden hatte. Vergaß ich das Telefon, so schien das niemanden zu stören. Klar, das mag auch mit der nicht ganz so wichtigen Stellung des PJ-Studenten zu tun haben, aber selbst als Assistenzarzt schleppte ich zwar stets ein Stationstelefon mit mir herum, wurde aber selten darauf angerufen und durfte es selbstverständlich beim Mittagstisch und auch bei besonders schwierigen Patientengesprächen oft für eine halbe Stunde zur Seite legen, ohne dass mir Vorwürfe gemacht wurden. Außerdem war immer klar, dass spätestens beim Feierabend Schluss mit der Verfügbarkeit war. Das alles war meine deutsche Medizinerzeit.

Seither sind Jahre vergangen – und seit ich in den USA bin, scheint der Vernetzungs­drang Jahr um Jahr stärker zu werden – mittlerweile werde ich abends und selbst nachts noch über mein Mobiltelefon angepiepst. Plötzlich wird in solchen Fällen der Bildschirm inmitten des dunklen Schlafzimmers nachts hell, und ich lese, dass eine Kranken­schwester eine Frage zu einem bestimmten Medikament hat und manchmal werde ich sogar direkt angerufen von ihr oder einem Kollegen. Da wird wenig Rücksicht auf Feierabend oder Schlafenszeit genommen. Die einzige Möglichkeit ist, das Telefon einfach auszulassen.

Weiterhin wird erwartet, dass ich meine krankenhausinterne elektronische, aber auch reguläre Post mindestens einmal täglich überprüfe, und wenn ich einmal nicht auf eines der Kontaktmedien reagiere, werden mir Vorwürfe gemacht. Selbst bei Aufenthalten im Ausland, wie jüngst in Deutschland, wird von mir erwartet, dass ich via Mobiltelefon und ePost erreichbar bin, dass ich mich in die elektronische Patientenakte einlogge, wenn Unklarheiten bestehen, oder Laborergebnisse nachgesehen werden müssen. Die Elektronik wird da zum Fluch.

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