Vom Arztdasein in Amerika

Der ideale Arzt

  • Dienstag, 17. Juli 2012

Meine Facharztkollegen, die zum Teil schon seit dreißig Jahren fachärztlich-internistisch arbeiten, trösteten mich am Ende eines meiner anstrengendsten Tage: Ich hatte zwanzig Patienten visitiert, davon acht entlassen und sechs weitere aufgenommen – ein hohes Pensum im Vergleich zu meiner Facharztausbildungszeit in Minneapolis. Mich belastete am meisten der Gedanke, dass ich den ganzen Tag hin und her gerannt war und trotzdem das Gefühl hatte, nicht genügend Zeit für all meine Patienten zu haben.

Es geht hier letztlich um die Frage des idealen Arztes. Im Idealfall sollte dieser sich ausreichend Zeit nehmen, in manchen Fällen mehrere Stunden, um eine Patientenanamnese zu erheben, ihn zu untersuchen und im Anschluss seine Eindrücke und den Therapieplan gründlich zu erklären. Dabei sollte er kosteneffizient Diagnostik und Therapie anordnen und den Patienten dennoch schnellstmöglich kurieren.

Weiterhin sollte er sich die Zeit nehmen, den Familienangehörigen die Therapie zu erläutern, zum Teil sich dabei wiederholen zu müssen und geduldig jede Frage beantworten. Zudem kommuniziert er im Idealfall direkt mit seinen anderen Arztkollegen und der Krankenpflege, die sich ebenfalls engagiert um den jeweiligen Patienten kümmern. Darüberhinaus sollte er die begrenzte Ressourcen der Gesellschaft sinnvoll einsetzen und selber uneigennützig nur finanziell das vom Patienten und der Gesellschaft fordern, was sie bereit ist ihm zu bezahlen, ohne dass es ihm oder ihr weh tut.

In seiner Freizeit recherchiert er unklare Sachverhalte und schmökert in Fachjournalen, auf der Suche nach neuesten Forschungsergebnissen, die seine Arbeit noch besser werden lässt, obwohl sie sowieso schon exzellent ist. Er hat dauernd gute Laune, damit die gesamte Behandlungsmannschaft von seinem Enthusiasmus angesteckt wird und der Patient in fröhlicher Atmosphäre genesen kann.

Ist das möglich, fragten mich meine Kollegen. Und munterten mich mit dem Gedanken auf, dass Nichtmenschliches nur von nichtmenschlichen Wesen verlangt werden kann.

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