Vom Arztdasein in Amerika

Der Untergang des Buches

  • Dienstag, 27. März 2012

Wir Assistenzärzte des dritten Ausbildungsjahres sind in nunmehr drei Monaten mit unserer Facharztausbildung zu Ende. Im Anschluss hieran wird die überwältigende Mehrheit meiner Kollegen zwei Monate freinehmen, um ausschließlich auf unsere Facharztprüfung sich vorzubereiten. Die meisten von uns werden sie im August dieses Jahres ablegen.

Da unser Programm mit einer Bestehensquote von 99% landesweit glänzt und damit weit über dem US-amerikanischen Durchschnitt liegt, weiterhin auch so ausgezeichnet bleiben möchte, werden wir alle von unserem Chefarzt und Oberärzten regelmäßig darauf angesprochen, wie und ob wir uns schon auf die Facharztprüfung vorbereiten. Deshalb hat auch jeder von uns schon einen zumindest vagen Lernplan und sich Lernmaterialien gekauft.

Ich selber habe die Prüfungsvorbereitung ebenfalls sehr ernst genommen und neben der Anmeldung zu einem fünftägigen Vorbereitungskurs, dem Anhören von Audiomaterial zu internistischen Fragestellungen und dem selektiven Nachlesen einzelner Inhalte mir die aktuelle, die 18. Ausgabe des Harrisons „Innere Medizin“ gekauft, gedruckt im Jahr 2011. Als ich das aus 3.583 Seiten bestehende, 397 Kapitel umfassende zweibändige Internistenbuch erhielt, war ich sehr stolz und lese mich derzeit Seite um Seite hindurch. Es ist ein langsamer, aber faszinierender Prozess, wenngleich ich das allermeiste natürlich schon kenne.

Meinen Kollegen habe ich von meinem Vorhaben erzählt und eine Diskussion über die Nützlichkeit eines Lehrbuches entfacht. Es trägt nämlich kein einziger meiner Kollegen ein Buch mit sich herum, wir verlassen uns bei der täglichen Visite allesamt auf elektronische Nachschlagegeräte wie iPhone, Laptop, iPad und ubiquitären stationären Rechnern mit Internetzugang.

Mehr oder minder unisono sind meine Kollegen zum Schluss gekommen, dass das Fachbuch ausgedient hat, dem Untergang geweiht ist und schon am Tag seines Erscheinens veraltet ist. Selektives Nachlesen via Internet in Medien wie Medline, Emedicine, UpToDate, selektiver Überblicksartikel und Metaanalysen et cetera sind dem Buch weit überlegen. Ich bin also ein Dinosaurier.

Wenigstens ein wegen seines Harrisons Textbuches zufriedener.

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