Sollen Nichtchristen an Weihnachten frei haben?
Ich muss dieses Jahr am Weihnachtstag arbeiten – so ist es eben als Arzt. Während ich durch die Krankenhausflure laufe, merke ich allenthalben, dass der Krankenhausbetrieb auf ein Minimum gefahren wurde und viele Menschen frei haben. Schön, dass sie Zeit zur Besinnung und zum Weihnachtsfest finden werden und diese freie Zeit bei ihren Liebsten verbringen können.
In USA gibt es gesetzlich zehn Feier- und damit arbeitsfreie Tage. Die meisten hiervon haben einen direkten Bezug zur US-Geschichte, sei es der Geburtstag des ersten US-Präsidenten George Washington, der jedes Jahr am 21. Februar begangen wird, der Unabhängigkeitstag der USA am 4. Juli oder das für US-Amerikaner sehr zentrale und familiärausgerichtete Erntedankfest “Thanksgiving”, das jedes Jahr am vierten Novemberdonnerstag begangen wird.
Für eine Liste der Feiertage verweise ich auf: http://www.opm.gov/operating_status_schedules/fedhol/2011.asp. Der einzige christlich inspirierte Feiertag unter diesen zehn Feiertagen ist hierbei der Weihnachtstag, der am 25.12. gefeiert wird und wofür man einen freien Arbeitstag bekommt; wenn er auf ein Wochenendtag fällt wie dieses Jahr, dann haben viele Menschen den folgenden Montag, also den 26.12., frei.
Am Rande sei erwähnt, dass all dieses nur begrenzt auf Ärzte in USA zutrifft – es gibt separate Listen mit „Krankenhausfeiertagen“.
Wir in Deutschland haben deutlich mehr christlich inspirierte Feiertage: Ganze zwei Weihnachtstage, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Ostersonntag und Karfreitag, die in fast jedem Bundesland gefeiert werden, was naturgemäß für viele Menschen arbeitsfreie Tage bedeutet. Selbst in Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern oder Berlin, in dem der Anteil der Nichtchristen ein sehr hoher ist, sind diese Feiertage arbeitsfrei.
In etlichen anderen Bundesländern gibt es zusätzliche (arbeitsfreie) christliche Feiertage wie Allerheiligen, Heilige Drei Könige, Fronleichnam, Reformationstag und Mariä Himmelsfahrt. Da ist Deutschland – und viele andere europäische und südamerikanische Länder – anders als die USA.
Darüber sprach ich vor kurze mit Kollegen. Eine verblüffende Frage erwuchs aus der Diskussion: Haben Nichtchristen das Recht an solchen Feiertagen ebenfalls frei zu haben? Ist es nicht für Nichtchristen inkonsequent und gar unfair, wenn diese arbeitsfrei bekommen ohne einen konkreten Bezug zum Feiertag zu haben?
Darüber hinaus unterstützen sie ja weder finanziell noch spirituell eben jene Organisationen, also die christlichen Kirchen, die diese freien Tage erst ermöglichen: Manche von ihnen zahlen in Deutschland keine Kirchensteuer und einige von ihnen verhöhnen gar die christlichen Ideen und Einrichtungen, die ihnen jedes Jahr arbeitsfreie Tage bescheren.
Eine radikale Frage, deren juristischer Aspekt klar ist, deren ethischer Aspekt aber erörtert werden kann. Vor diesem Hintergrund forderten beispielsweise vor wenigen Jahren bundesgrüne Politiker die Aufnahme von moslemischen und jüdischen Feiertage als arbeitsfreie Tage in den Kreis der Feiertage: Sie erhofften sich mehr Ausgewogenheit.
Alternativ könnte der Arbeitsminister diese Frage aufgreifen und von nun an eben nur den Kirchensteuern zahlenden Bürgern freigeben während die anderen beispielsweise am 26.12. oder am Ostermontag arbeiten gehen müssen.
Man merkt: Am Weihnachtstag arbeiten ist nicht gut, da kommt man schnell auf solche Gedanken. Böse Zungen würden wohl sagen, es sei Neid auf diejenigen, die arbeitsfrei haben während ich arbeiten muss; wenn ich frei hätte, würde ich den 25.12. im Kreis meiner Familie verleben, anderen Gedanken nachhängen und abends in eine schöne Abendmesse gehen.
Den Glücklicheren wünsche ich ein frohes, besinnliches und in diesem Sinne arbeitsfreies Weihnachtsfest!
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