Vom Arztdasein in Amerika

Tabuthemen in der Medizin

  • Dienstag, 28. Juli 2020

Seit ich mich immer weiter auf dem Gebiet der Integrativmedizin bewege, lese und höre ich von Dingen die ich früher als „esoterischen Quatsch“ oder „Blödsinn“ abgetan hätte. Meine Medizin studierende Ex-Frau kann ein Lied davon singen, denn wenn ich ihr von Akupunktur, Trancezuständen oder den heilenden Effekten von diversen energetischen Feldern erzähle, dann verdreht sie oft die Augen und sagt zu Recht, dass ich vor zehn Jahren all das als unsinnig und unwissenschaftlich verworfen hätte.

Doch wie schon der römische Dichter Ovid wußte: Tempora mutantur et nos in mutamur in illis, die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen. Denn wer sich mit der Evidenz zu Themen wie Nahtoderfahrungen oder selbst einem für viele als obskur wirkenden Thema wie Reinkarnation beschäftigt, stößt schon sehr bald auf wissenschaftliche Daten, die zumindest nachdenklich machen.

Ich will nur zwei Namen nennen, die in anerkannten wissenschaftlichen Journalen im Laufe der letzten Jahrzehnte zu diesen Themen publiziert haben: Der Kardiologe und Nahtodexperte Dr. Pim van Lommel und der mittlerweile verstorbene Gründer der Reinkarnationsforschung, der Psychiater Dr. Ian Stevenson. Wenn ich deren Publikationen oder Bücher lese, dann kommt mein schulmedizinisches Weltbild unter Druck, um es einmal diplomatisch auszudrücken.

Mittlerweile frage ich auch Menschen, die fast gestorben oder tatsächlich reanimiert worden sind, ob sie eine Nahtoderfahrung hatten und erhalte gelegentlich eine bejahende Antwort. Weiterhin stoße ich auf immer mehr sogenannte paranormale Phänomene in diesem Zusammenhang und bin erstaunt wie ich in den fast 20 Jahren meiner schulmedizinischen Karriere derart die Augen vor diesen Phänomenen verschlossen habe. Doch sie sind Tabuthemen in der Schulmedizin, wie ich bei Gesprächen mit ärztlichen Kollegen feststelle, weshalb ich diese Themen mittlerweile immer seltener Ärzten gegenüber aufbringe.

Kürzlich stieß ich auf ein weiteres Phänomen, welches ich nur unzureichend mit meinem schulmedizinischen Wissen zuordnen kann: Es gibt Berichte, wonach Erinnerungen und sogar Persönlichkeitselemente bei einer Organtransplantation übertragen werden. Klingt das nicht verrückt? Mit anderen Worten erhält eine Person ein Organ transplantiert und hat dann – in gelegentlichen Fällen – Erinnerungen oder Gedanken, die nachweislich zum Spender des Organes gehörten.

Oder das Verhalten ändert sich beim Transplantierten hin zu dem des Spenders und ein alkoholischer Abstinenzler wird beispielsweise zum Biertrinker oder ein eher introvertierter zu einem extrovertierten Menschen.

Natürlich kann man mit schulmedizinischen Ansätzen ein solches Verhalten erklären – medikamentöse Nebenwirkungen, psychische Veränderungen als Folge der Krankheit oder des Traumas der Transplantation und so weiter. Das will ich nicht in Abrede stellen und würde aktuell eher ein schulmedizinisches Erklärungsmodell favorisieren – interessant ist das Phänomen trotzdem.

Es gibt auch nur wenige Publikationen zu diesem Thema, weshalb auch die Begrifflichkeit noch nicht ganz eindeutig ist – manche bezeichnen dieses Phänomen als „Gedächtnis­übertragung“, andere als „Zellgedächtnis“. Für Interessierte verweise ich auf eine mittlerweile fast 30 Jahre alte Publikation aus Österreich, die ich nicht ganz uninteressant finde: Bunzel B et al. 1992. Qual Life Res.

Nun fragte ich jüngst einen Patienten, der eine Lungentransplantation vor fast 15 Jahre erhalten hatte (was eine lange Haltezeit für solch eine Transplantation ist), ob er solche Veränderungen psychischer Art bei sich festgestellt habe. Die Antwort war ein klares „nein“, wobei wir auf andere und interessante Dinge zu sprechen kamen.

Als ich den Fehler machte, dieses Thema mit einem ärztlichen Kollegen später anzusprechen, verdrehte er nur die Augen und schnell wurde mir klar, dass auch das ein Tabuthema ist. Schade, daß nicht nur bestimmte Erkrankungen sondern auch manche Themen unter Quarantäne gestellt werden.

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