Warum als Arzt in Deutschland arbeiten?
In einem halben Jahr, im Juni des Jahres 2012, werden wir internistische Assistenzärzte unser drittes Ausbildungsjahr abgeschlossen haben und somit Fachärzte sein. Wir freuen uns darauf. Es muss zwar noch eine umfangreiche Facharztprüfung im Anschluss an die Ausbildung geschrieben werden, aber selbst wenn man diese nicht besteht kann man – etwas eingeschränkt – als Facharzt arbeiten.
Was kommt danach? Manche meiner Kollegen spezialisieren sich weiter – beispielsweise eine zum Intensivmediziner, ein anderer zum Nephrologen – die große Mehrzahl wird jedoch zunächst als Allgemeininternist arbeiten. Was werde ich machen? Mittel- und langfristig zieht es mich zurück in die deutschsprachige Welt, doch im Detail habe ich den Ablauf der nächsten Schritte derzeit noch nicht festgelegt.
Da der Internist viel mit chronischen, nur bedingt heilbaren Krankheiten zu tun hat, ist diese Fachrichtung nicht eben die beliebteste. Außerdem ist der Jahresverdienst bei US-Internisten im Verhältnis zu anderen medizinischen Fachrichtungen unterdurchschnittlich. Daher herrscht Arztmangel an Internisten und die freien Arbeitsstellen sind zahlreich.
Entsprechend haben all meine Kollegen schon Arbeitsverträge unterschrieben. Oft sitzen wir im Assistentenzimmer beisammen und erzählen uns von diesen baldigen Arbeitsstellen. So wird eine meiner Kollegen Teil einer größeren Praxisgemeinschaft werden, vier Tage die Woche arbeiten und somit versuchen, sowohl ihre bald um ein weiteres Kind erweiterte Familie als auch Beruf unter einen Hut zu bringen.
Arbeitszeit knapp 8 bis 17 Uhr, Jahreseinkommen so um die $180.000. Ein anderer zieht nach New Ulm in Minnesota und wird 26 Wochen (jeweils dann sieben Tage am Stück, meist bis zu 12 Stunden pro Tag) als Krankenhaus- und Praxisarzt im Jahr arbeiten und erhält ein Jahresgehalt zwischen $220.000 und $250.000. Ein anderer bleibt an unserem Krankenhaus und erhält $235.000 bei ebenfalls 26 Jahreswochen an Arbeitszeit. Et cetera.
Als ich kürzlich mit meinen Kollegen übers Arbeiten in Deutschland sinnierte, baten sie mich um Details. Typisch für US-Amerikaner, wollten sie vor allem vom Einkommen berichtet bekommen. Anhand des TV-Ärzte Tarifvertrages und der dortigen Einkommenstabelle konnte ich das Einkommen erläutern; es herrschte Sprachlosigkeit. Dasz ein Internist, ein Fachinternist, als Einstiegsgehalt 4834,11 Euro monatlich erhält (Jahresgehalt rund 58.000 Euro) schien meinen Kollegen nicht glaubhaft; so ein kleiner Unterschied zum Assistentengehalt? Auch kein Verhandlungsspielraum?
Selbst als ich den Betrag um 30% angesichts von Bereitschaftsdiensten und einiger Boni (Privatpatienten, Krankenhausbonus usw.) auf knapp 75.000 Euro erhöhte, waren meine Kollegen fassungslos. Als ich dann noch von höherer Steuer- und Sozialversicherungslast berichtete, von 19% Mehrwertsteuer (statt zumeist 7% in USA) und diversen anderen Abgaben klopfte mir einer auf die Schulter und meinte lakonisch: „Hoffentlich sind die Patienten Dir wenigstens dankbar für Deinen Einsatz und die Krankenhausarbeit macht Spaß. Sonst würde ich als Arzt gar nicht bei Euch in Deutschland arbeiten“.
„Arrogante Antwort, ich arbeite doch nicht ausschließlich des Geldes wegen”, dachte ich bei mir; aber etwas Wahres war an seiner Aussage schon dran.
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