Vom Arztdasein in Amerika

Zeit ist Geld

  • Montag, 3. September 2012

Es gibt im Krankenhaus als US-Internist eine Vielzahl an Abrechnungsmöglichkeiten, um seine Dienste vom Patienten vergüten zu lassen. Eine wenig benutzte ist diejenige der Zeitvergütung: Dauert das Gespräch mit einem Patienten beispielsweise länger als 35 Minuten, kann man den Höchstsatz in Höhe von 97 US-Dollar berechnen. Das setzt genaue Dokumentation voraus. Natürlich klingt das nach viel Geld, aber wenn man die benötigte Dokumentationszeit, Vor- und Nachbereitungsvisitenzeit hineinberechnet, dann hat man effektiv wohl knapp eine bis anderthalb Stunden für die Belange des Patienten zugebracht. Aber es ist immer noch sehr gut verdientes Geld.

Bei besonders selbstzentrierten Patienten, die mir eine Vielzahl an Fragen stellen wie jüngst, als ich eine Trimethoprim/Sulfamethoxazol-assoziierte Vaskulitis therapierte und bei welcher der betreffende Patient derart wortschwülstig auftrat, dass er mir stets von allerlei wichtigen, aber auch unwichtigen Symptomen berichtete, eine lange Liste an Fragen vorlas und die Antworten akribisch aufschrieb und mich stets bat, dabei auf ihn zu warten, benutze ich diese Zeitkodierungsabrechnung: So berechnete ich bzw. meine Arztgruppe ihm für meine tägliche Visite jeweils immer 97 US-Dollar.

Es hat mich viel Zeit und Geduld gekostet, jedes Detail mehrmals pro Tag zu erläutern. Und nun die spannende Frage: Wie wird der Patient reagieren, wenn er meine Rechnung erhält? Wird er genauso geduldig auf sie eingehen und sie genauso bereitwillig mit seinen Ressourcen, nämlich Geld, bezahlen, wie ich meine Ressourcen Wissen und Zeit für ihn aufwandte?

Zeit ist Geld in den USA, in diesem Fall im wirklichen und wörtlichen Sinne.

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