Vom Arztdasein in Amerika

Zwei kranke Systeme

  • Mittwoch, 31. Mai 2017

Ein ähnliches Szenario hat sich bei zwei Bekannten von mir zugetragen und sagt viel über die Ressourcenzuteilung des Gesundheitssystemes aus: In den USA hatte eine Bekannte von mir chronische Hüftschmerzen. Eines Tages war sie es leid und rief bei ihrem Hausarzt an, um einen Termin zu bekommen, wobei ihr einer erst eine Woche später angeboten wurde.

Sie war ungeduldig, deshalb rief sie bei einem Orthopäden an und erhielt eine ähnliche Antwort,  er könne sie nämlich erst in drei Wochen sehen. Also fuhr sie in die Notaufnahme, wurde dort vom Notaufnahmearzt (einem Facharzt) gesehen. Es wurde ein Röntgenbild und sogar CT-Untersuchung gemacht und die Bekannte wurde mit Schmerzmitteln nach Hause und der wenig überraschenden Verdachtsdiagnose einer Hüftarthrose entlassen.

In Deutschland habe ich eine andere Bekannte, die seit mehreren Wochen an einem schmerzhaften und juckenden Vaginalausschlag leidet. Eines Tages war sie es leid, ging zu ihrem Hausarzt, wurde aber abgewiesen und man gab ihr einen Termin in zwei Wochen. Selbst ein Warten im Wartezimmer brachte nichts.

Also rief sie ihre Frauenärztin an und erhielt erst einen Termin in sechs Wochen, was ihr ebenfalls nicht passte. Also machte sie sich auf den Weg in die Notaufnahme, wurde dort von einer Ärztin (einer Assistenzärztin) gesehen, die sich darüber echauffierte, dass meine Bekannte für solch eine „Kleinigkeit“ vorstellig wurde, erhielt ein Vaginalpräparat für einen Vaginalpilz ohne nennenswerte Untersuchung und wurde entlassen mit der Aufforderung, bei fehlender Besserung bei einem ambulanten Frauenarzt vorstellig zu werden.

Beide Systeme sind krank, beide Systeme dysfunktional. Mich stört es, wenn Menschen keinen guten Zugang zu uns Ärzten haben, das ärgert mich richtig. „Krankheit gehört ausgerottet“, sage ich zu meinen Patienten, und auch wenn ich weiß, wie unmöglich das ist, so steckt doch der Ansporn dahinter so viel Leid als möglich zu bessern. Doch mir scheint es als gäbe es mehr Probleme im deutschen als im amerikanischen System, als sei eine Behandlung in Deutschland schwieriger zu erhalten als in den USA. Sehe ich das zu subjektiv? Ist die Behandlung nachher doch besser in Deutschland, obwohl so viele Einzeleindrücke von Freunden, Bekannten und Familien dagegen zu sprechen scheinen? 

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung