Ausland

Ruf nach Evakuierung von Insel-Flüchtlings­lagern in Griechenland

  • Freitag, 22. November 2019
Flüchtlingscamp auf Samos /dpa
Flüchtlingscamp auf Samos /dpa

Athen – Auf der griechischen Insel Samos teilen sich je 300 Migranten eine Toilette. Das ist nur eines der zahlreichen Beispiele, die Ärzte-ohne-Grenzen-Chef Christos Christou anführt, um von der EU ein radikales Umdenken in der Flüchtlingspolitik zu fordern.

„Vier Jahre nach dem Flüchtlingspakt leben auf den griechischen Inseln 35.000 Menschen im völligen Chaos und ohne jegliche Würde“, sagte der internationale Präsident der Orga­nisation heute in Athen. Die Lager müssten sofort geschlossen und die Menschen aufs europäische Festland gebracht werden, forderte er im Anschluss an einen Besuch auf den Inseln Lesbos und Samos.

Der Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei sei gescheitert, bilanzierte Christou. Statt auf dem Deal zu beharren, müsse das Hin und Her um die Menschen ein Ende finden. Mit Hu­manität, die sich die EU auf die Fahnen geschrieben habe, habe die Situation auf den Inseln nichts mehr zu tun. „Den Menschen dort wird nicht nur nicht geholfen. Stattdessen verschlechtert sich ihre Verfassung noch zusätzlich“.

Folteropfer, psychisch kranke Menschen und Kinder würden nicht ausreichend versorgt. Suizidversuche seien an der Tagesordnung. In anderen Camps der Welt gebe es zumin­dest noch Hoffnung – auf den Inseln nicht mehr. Der Arzt kritisierte auch die jüngsten Pläne der griechischen Regierung, auf den Inseln geschlossene Zentren zu errichten. „Daraus werden über kurz oder lang Gefängnisse wer­den.“

Auch die Maßnahme, Tausende Migranten auf das griechische Festland zu bringen, werde die Lage nicht maßgeblich verbessern. „Dort gibt es ebenfalls keine ausreichenden, ange­messenen Unterkünfte.“ Der Angst unter anderem deutscher Politiker, eine Evakuierung der Inseln könne zu einem erneuten Anstieg der Flüchtlingszahlen führen, hielt Christou entgegen: „Jeder Mensch hat ein Anrecht auf humanitäre Hilfe.“

Zu den griechischen Inseln haben in diesem Jahr laut UN-Flüchtlingshilfswerk fast 50.000 Migranten übergesetzt – trotz des Pakts zwischen der EU und der Türkei, der Schleuser­aktivitäten eigentlich ein Ende setzen sollte. Die Vereinbarung von 2016 sieht vor, dass Griechenland illegal eingereiste Migranten, die kein Anrecht auf Asyl haben, zurück in die Türkei schicken kann. Im Gegenzug übernimmt die EU syrische Flüchtlinge aus der Türkei und unterstützt die Türkei finanziell bei der Versorgung der Flüchtlinge.

Griechenland kritisiert, mit der Situation allein gelassen zu werden, weil etliche EU-Län­der sich weigern, einer EU-weiten Quote gemäß Flüchtlinge aufzunehmen. Auch die Rückführung in die Türkei all jener Migranten, die nicht asylberechtigt sind, geht nur schleppend voran. Man könne die Menschen jedoch ohnehin nicht einfach wegen ihrer Nationalität abschieben, warnte Christou. Viele etwa afghanische Migranten auf den Inseln seien schutzbedürftig, auch wenn Afghanistan als sicher gelte.

dpa

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