Ruf nach mehr Engagement für Schutz von Kindern gegen sexuelle Gewalt

Ulm – Wissenschaftler aus verschiedenen Fachdisziplinen haben die Politik aufgerufen, das „Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ in der kommenden Legislatur nicht aus den Augen zu verlieren.
Der Entwurf für das auch als UBSKM-Gesetz bezeichnete Gesetz, weil es die Strukturen rund um das Amt der Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) stärken soll, befindet sich nach erster Lesung und Expertenanhörung zwar noch im parlamentarischen Verfahren, hat aber aufgrund des Ampel-Aus kaum noch eine Chance, verabschiedet zu werden.
Mit dem Appell, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, fordern die zwölf Wissenschaftler unter der Federführung von Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm, ein „intensives bundespolitisches Engagement für den nachhaltigen Kinderschutz gegen sexuelle Gewalt“.
Dieses Engagement müsse ressortübergreifend aufrechterhalten und weiter gestärkt werden. Nur so könnten die Interventions- und Hilfestrukturen weiter verbessert werden. Mit dem Kinderschutzgesetz soll das Amt der oder des UBSKM dauerhaft verankert werden, ebenso der bei der UBSKM ansässige Betroffenenrat und die Unabhängige Aufarbeitungskommission. Aktuell wird das Amt von Kerstin Claus bekleidet.
Die UBSKM soll dem Bundestag regelmäßig einen Bericht zur Prävalenz sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vorlegen sowie Maßnahmen zur Verbesserung empfehlen. Zudem soll ein „Zentrum für Forschung zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ in der Wahrnehmung ihrer Berichtspflicht unterstützen. Die UBSKM hat vor kurzem das Deutsche Jugendinstitut (DJI) mit dem Aufbau dieses Forschungszentrums beauftragt.
Über die parlamentarische Wiederaufnahme des Kinderschutzgesetzes hinaus sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler drei weitere Herausforderungen, die in den kommenden Jahren angegangen werden müssen. Dazu gehöre erstens technologiegestützte sexuelle Gewalt, die in den vergangenen Jahren stark angestiegen sei.
Künstliche Intelligenz (KI) könne entsprechende Inhalte generieren; sie könne aber auch dafür eingesetzt werden, die Herkunft solcher Inhalte zu dechiffrieren. Zudem könne KI Kinder und Jugendliche selbst dabei unterstützen, ihr Verhalten in sozialen Medien zu analysieren und Interventionen zum Schutz anbieten.
Die zweite Herausforderung sehen die Wissenschaftler in der Stärkung der partizipativen Forschung mit Betroffenen und Angehörigen. Die methodologische und organisationale Absicherung sei bisher nur begrenzt geschehen.
Schließlich bestehe eine Forschungslücke in der interdisziplinären Forschung zum Zusammenhang von Recht und Verhalten, auch bezüglich der Intervention bei verurteilten und nicht verurteilten Straftätern. Erst aktivere Forschung zu Fragen der Forensischen Begutachtung, aber auch zu Verfahren in der Kinder- und Jugendhilfe könne diese Lücke schließen, so die Wissenschaftler.
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