Schizophrenie: Akustische Halluzinationen als Netzwerkstörung im Gehirn
Memphis – Die akustischen Halluzinationen, die zu den sogenannten Positivsymptomen bei der Schizophrenie gehören, sind möglicherweise Folge einer gestörten Verarbeitung von Signalen im Thalamus. Dies zeigen Experimente an einem Mäusemodell der Erkrankung in Science (2014; 344: 1178-1182), die auch die Wirkung der Antipsychotika bei diesem Symptom erklären.
Haloperidol oder Clozapin können bei den meisten Patienten mit Schizophrenie die akustischen Halluzinationen beseitigen, während andere Symptome wie kognitive Defizite, Gefühlsstörungen und der soziale Rückzug nicht auf die Therapie ansprechen. Die Wirkung der beiden Antipsychotika wird über eine Inhibition der Dopamin 2-Rezptoren erklärt. Die genauen Mechanismen sind nicht bekannt.
Nähere Erkenntnisse liefern jetzt die Experimente, die ein Team um Stanislav Zakharenko vom St. Jude Children's Research Hospital in Memphis im US-Staat Tennessee durchgeführt hat. Die Forscher benutzten dazu ein Mäusemodell des Mikrodeletionsyndroms 22q11, zu denen auch das DiGeorge Syndrom gehört. Ursache ist das Fehlen von etwa 25 Genen auf dem langen Arm des Chromosoms 22. Etwa 30 Prozent der Patienten entwickeln während des Jugendalters eine Schizophrenie mit akustischen Halluzinationen.
Die Erkrankung kann bei der Maus nachgestellt werden, bei der sich 23 der betroffenen Gene auf dem Chromosom 16 befinden. Die Forscher können jetzt zeigen, dass ein Mangel der Gene eine gesteigerte Bildung von Dopamin 2-Rezeptoren im Thalamus zur Folge hat. Der Thalamus hat im Gehirn eine Filterfunktion. Er bestimmt, welche Informationen, die aus der Peripherie eintreffen, an die Hirnrinde und damit an das Bewusstsein weitergeleitet werden. Zu diesen Informationen gehören auch die akustischen Signale, die über die Hörbahn den Thalamus erreichen.
Eine vermehrte Bildung von Dopamin 2-Rezptoren an dieser Stelle könnte erklären, warum bei Menschen mit Schizophrenie manchmal Informationen generiert werden, die keine Entsprechung in der Realität haben und als akustische Halluzinationen bezeichnet werden. Gleichzeitig liefern die Befunde einen Erklärungsansatz für die Wirkung von Haloperidol oder Clozapin, die den Signalfluss an den Rezeptoren stoppen.
Interessanterweise zeigen die Tiere auch eine gestörte Schreckreaktion, wie sie auch bei vielen Patienten mit Schizophrenie nachweisbar ist. Während bei gesunden Menschen eine Schreckreaktion durch einen vorausgehenden schwächeren Warnreiz („Präpuls“) abgemildert werden kann, fehlt bei den Patienten mit Schizophrenie diese physiologische Präpulsinhibition.
Zakharenko konnte die vermehrte Bildung der Rezeptoren schließlich auf das Fehlen eines der in der Region 22q11 kodierten Gene einschränken: Dgcr8 (für DiGeorge Critical Region 8) kodiert eine sogenannte microRNA, die die Produktion von anderen Proteinen steuern kann. Ein Einfluss auf die Bildung des Dopamin 2-Rezeptors erscheint plausibel.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: