Medizin

Schlaganfall: Blutdrucksenkung in Studie mit beschränkter Wirkung

  • Donnerstag, 23. Oktober 2014
Uploaded: 23.10.2014 19:18:05 by mis
dpa

Nottingham – Ein Nitroglyzerin-Pflaster hat in einer großen internationalen Studie zwar den Blutdruck in den ersten Tagen nach einem Schlaganfall gesenkt. Spätere Behin­derungen konnten durch die Behandlung laut der Publikation im Lancet (2014; doi: 10.1016/S0140-6736(14)61121-1) jedoch nicht abgeschwächt werden. Weitere Studien­ergebnisse werfen Fragen zur (sofortigen) Fortsetzung einer vor dem Schlaganfall begonnenen antihypertensiven Therapie auf.

Eine arterielle Hypertonie ist der wichtigste Schlaganfall-Risikofaktor und bei vielen Patienten kommt es nach einem Schlaganfall zu einem deutlichen Anstieg des Blut­drucks. Der „therapeutische Reflex“, die Hypertonie nach dem Schlaganfall aggressiv zu korrigieren, ist derzeit nicht evidenz-basiert. Dabei hat es an klinischen Studien nicht gemangelt. Hongxuan Wang von der Sun Yat-sen Universität in Guangzhou kommt in PLoS ONE (2014; 9: e97917) in einer Meta-Analyse zu 17 Studien mit 13.236 Patienten jedoch zu dem Ergebnis, dass eine frühe Blutdruck-Senkung nach einem Schlaganfall das Sterberisiko eher erhöht: Das relative Risiko (RR) auf einen Tod in den ersten 30 Tagen war sogar signifikant um 34 Prozent erhöht (RR 1,34; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,02-1,77).

Vor diesem Hintergrund stellen Philip Bath von der Universität Nottingham und Mitarbeiter jetzt die Ergebnisse der „Efficacy of Nitric Oxide in Stroke“ oder ENOS-Studie vor. An der Studie hatten in 23 Ländern 4.011 Patienten teilgenommen, die nach einem akuten ischämischen (83 Prozent) oder hämorrhagischen (16 Prozent) Schlaganfall einen systolischen Blutdruck von 140 bis 220 mm Hg hatten.

Die Studie verfolgte zwei Ziele. Zum einen sollte die Wirkung von transdermalen Nitroglycerin-Pflastern untersucht werden, mit denen die Hälfte der Patienten über 7 Tage behandelt wurden (die andere Hälfte erhielt wirkstofffreie Pflaster). Nitroglycerin war ausgewählt worden, da das freigesetzte Stickoxid auch im Gehirn den Blutdruck senkt und in präklinischen Studien eine neuroprotektive Wirkung erzielte. Tatsächlich konnte der mittlere Blutdruck am ersten Tag um 7,0 mm Hg (gegenüber 3,5 mm Hg unter Placebo) gesenkt werden.

Die Wirkung war allerdings nur in den ersten Tagen nachweisbar und der funktionale Status der Patienten wurde in der modifizierten Rankin-Skala nach 90 Tagen nicht verbessert. Odds Ratio: 1,01 (0,91 bis 1,13). Die einzige Ausnahme waren Patienten, bei denen die Therapie innerhalb von 6 Stunden nach dem Schlaganfall begonnen werden konnte: Hier kam es deutlich seltener zu einer Verschlechterung in der Rankin-Skala (Odds Ratio 0,55; 0,36-0,84). Bath kündigte an, dass die frühe Therapie in einer weiteren großen Studie überprüft werden soll.

Auch in der zweiten Frage wurde in der ENOS-Studie nicht die erhoffte Wirkung erzielt. Hier ging es darum, ob Patienten, die vor dem Schlaganfall Blutdruckmedikamente eingenommen hatten, die Medikation sofort nach dem Schlaganfall fortsetzen sollten. Insgesamt 2.097 Patienten waren vor dem Schlaganfall bereits antihypertensiv behandelt worden. In der Studie wurden sie auf eine möglichst frühzeitige Wiederaufnahme oder auf ein Abbrechen dieser Therapie randomisiert.

Dabei wurden die Medikamente, wenn nötig, über eine Magensonde verabreicht. Diese Mühe wurde durch die Studienergebnisse nicht belohnt. Der funktionelle Status – erneut mit der modifizierten Rankin-Skala gemessen – war in beiden Gruppen nach 90 Tagen identisch. Die Odds Ratio für eine frühzeitige Wiederaufnahme versus Abbrechen betrug 1,05 (95-Prozent-Konfidenzintervall 0,90-1,22). Bath rät aufgrund der Ergebnisse, die frühere antihypertensive Therapie erst wieder zu beginnen, wenn der Patient die Tabletten wieder eigenhändig einnehmen kann.

rme

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