Schmerztherapeuten fordern Ende der Honorarunsicherheiten
Berlin – Um die schmerztherapeutische Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen in Deutschland zu verbessern, muss es für die, die sie behandeln, bundesweit einheitliche Regelungen und ausreichend bemessene Honorare geben. Das hat der Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD) am vergangenen Wochenende in Berlin gefordert.
„Immer wieder wird die Schmerzmedizin zum Spielball politischer Verteilungskämpfe von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen)“, kritisierte Joachim Nadstawek, BVSD-Vorsitzender. „Die überwiegend ungenügende und von KV-Bereich zu KV-Bereich völlig unterschiedliche Vergütung schmerztherapeutischer Leistungen hat dazu geführt, dass viele niedergelassene Vertragsärzte die spezielle Schmerztherapie aufgeben oder überlegen, der speziellen Schmerztherapie zugunsten ihrer Grundfachrichtung den Rücken zu kehren“, berichtete er.
Honorarunsicherheiten verschärfen Nachwuchsprobleme der Praxen
Außerdem stehe die Schmerzmedizin vor einem akuten Nachwuchsproblem. „In sechs Jahren werden etwa zwei Drittel der heute ambulant tätigen Schmerzmediziner in den Ruhestand gehen. Die andauernden Unsicherheiten der Honorarsituation verschärfen diese Problematik zusätzlich, weil somit wenig Anreize für niedergelassene Ärzte bestehen, sich für Schmerzpatienten zu engagieren“, so der BVSD-Vorsitzende. Hinzu kommen Probleme aufgrund der Bedarfsplanung in der ambulanten Versorgung: Bei der Neubesetzung von Arztsitzen spielt nach Angaben des BVSD nur das Fachgebiet des Arztes eine Rolle, nicht ein Versorgungsschwerpunkt in Schmerztherapie.
Die Mitglieder des Berufsverbands forderten, das für sie relevante Kapitel 30.7.1 im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aus der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV) herauszulösen und damit für eine bundeseinheitliche Honorierung von Teilnehmern an der Qualitätssicherungsvereinbarung zur schmerztherapeutischen Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten zu sorgen. „Nur so ist es dauerhaft möglich, dass spezielle Schmerzmediziner existieren können. Denn aufgrund der Qualitätssicherungsvereinbarung sind nur maximal 300 Fälle je Arzt im Quartal möglich“, erklärte Nadstawek.
DRG setzen falsche Anreize für die Versorgung von Schmerzpatienten
„Auch die Durchführung stationärer multimodaler Schmerztherapie ist zunehmend gefährdet, weil im Abrechnungssystem der Fallpauschalen fälschlicherweise ein Anreiz zu einer Verkürzung der Aufenthaltsdauer mit der Folge einer Verringerung der Versorgungsqualität und -intensität besteht“, ergänzte er. Man brauche neue Regelungen, forderte er: „Stationäre multimodale Schmerztherapie muss in einem für die chronischen Schmerzpatienten nachhaltigen und sinnvollen zeitlichen Umfang durchgeführt werden können.“
In einer der Diskussionsrunden während des Kongresses ging es sowohl um Fragen einer besseren Honorierung als auch um Möglichkeiten einer stärkeren Kooperation der Berufsgruppen. Ulrich Casser, Honorardezernent der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), verwies darauf, dass man mit dem kritisierten EBM-Kapitel bereits versucht habe, kooperative Strukturen abzubilden. Aber „der EBM wird für die einzelnen Fachgebiete gemacht“, gab er zu bedenken.
Derzeit wäre das Honorarsystem nach Cassers Meinung noch überfordert mit Pauschalen, die die einzelnen Fachgebiete dann unter sich aufteilen müssten. Der KBV-Dezernent verwies auf ein weiteres Problem: Selbst wenn man den Honorarmehrbedarf einer bestimmten Gruppe wie der Schmerztherapeuten anerkennt, kann man ihn im budgetierten ambulanten Vergütungssystem nur befriedigen, wenn man einer anderen Arztgruppe Geld wegnimmt. Das halte er für falsch, stellte Casser klar: Hier seien die Krankenkassen gefordert, Leistungen extrabudgetär zu bezahlen.
Krankenkassen erfahren zu spät von der Odyssee Versicherter
Thomas Bodmer, Vorstandsmitglied der Krankenkasse DAK-Gesundheit, verwies wiederum auf die Probleme der Kassen. „Wir haben auch nicht unendlich viel Geld“, betonte er. Selektivverträge für Schmerzpatienten sind seiner Ansicht nach ebenfalls kein Allheilmittel, schon weil die Versorgungsstrukturen in manchen Regionen viel schlechter seien als in anderen.
Und: „Wir Kassen werden täglich bombardiert mit Ideen, wie man Versorgung noch besser machen könnte“, ergänzte Bodmer. Viele Ideen hält er aber für unbrauchbar oder in erster Linie für Geldmacherei. Dass aber chronische Schmerzpatienten jahrelang durchs System irrlichterten, bis ihnen qualifiziert geholfen wird, hielt auch der Krankenkassenrepräsentant für ein Problem. Nur: „Wann erfahren wir es denn?“, gab er zu bedenken. Wenn eine Krankenkasse sich die Abrechnungen ansehe, sei es eigentlich doch schon zu spät.
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