Medizin

„Schnellschnitt“: Lasermikroskop ermöglicht Tumordiagnose im Operationssaal

  • Mittwoch, 8. Februar 2017
Uploaded: 08.02.2017 14:01:39 by mis

Ann Arbor - Die sogenannte SRS-Mikroskopie, ein vor wenigen Jahren entwickeltes Verfahren, könnte die intraoperative Diagnostik von Tumoren beschleunigen. In einer Studie in Nature Biomedical Engineering (2017; doi: 10.1038/s41551-016-0027) gelang es Pathologen, mit der SRS-Mikroskopie Hirntumor innerhalb weniger Minuten am frischen Operationspräparat und ohne Anfärben korrekt zu erkennen. Ein Computer erreichte fast genauso gute Ergebnisse.

Viele Krebsoperationen müssen für eine halbe Stunde oder länger unterbrochen werden, weil nach der Entfernung des Tumors zunächst Gewebeproben zum Pathologen transportiert werden müssen. Dort werden die Proben zunächst schockgefroren, um Gewebeschnitte für eine Anfärbung mit Hämatoxylin und Eosin (HE) zu ermöglichen. Erst dann können die Pathologen nach Tumorzellen im Gewebe suchen. 

In der Praxis vergehen 30 bis 40 Minuten, bis die Ergebnisse dieser „Schnellschnitt­untersuchung“ vorliegen. Für diese Zeit müssen die Chirurgen die Operation unterbrechen. Dies verlängert die Gesamtdauer der Operation und bindet teure OP-Kapazitäten.

Die Wartezeit könnte deutlich verkürzt werden, wenn die Chirurgen die Präparate im OP-Saal ohne langwierige Aufbereitung direkt untersuchen könnten. Dies könnte in Zukunft mit einem SRS-Mikroskop möglich werden, das Forscher der Universität von Michigan in Ann Arbor entwickelt haben.

Uploaded: 08.02.2017 14:02:08 by mis
Schnittbild direkt auf dem Bildschirm

Die dem Mikroskop zugrundeliegende SRS-Technologie (für „Stimulated Raman scattering“) wurde 2008 von Forschern der Harvard Universität in Boston entwickelt (Science 2008; 322: 1857-1861). Sie nutzt einen Effekt aus, der vor 90 Jahren von dem indischen Physiker C. V. Raman entdeckt wurde. Danach können Moleküle durch Licht zu einer nicht-elastischen Streuung (scattering) angeregt werden, die für einzelne Stoffe spezifisch ist und mit deren Hilfe Strukturen im Gewebe unterschieden werden können. 

Die Anregung der Moleküle erfolgt durch zwei Laserstrahlen in unterschiedlicher Frequenz. Die ersten SRS-Mikroskope waren noch zu groß und zu unhandlich für den Operationssaal. Inzwischen konnte die Technik soweit miniuatirisiert werden, dass das SRS-Mikroskop auf einem kleinen Tisch Platz findet. Zur Ausstattung gehört auch ein Computer, der die von dem SRS-Mikroskop aufgenommenen Bilder aufarbeitet, so dass sie einer HE-Färbung täuschend ähnlich sind. Da auf Schockfrosten und echtes Anfärben verzichtet wird, könnte der Chirurg (oder ein Pathologie-Kollege) direkt vor Ort die Untersuchung durchführen.

Für einen ersten Test haben Neuropathologen der Universität von Michigan 30 Präparate aus Hirnoperationen untersucht. In den meisten Fällen wurden Low-Grade-Gliom, High Grade-Gliom andere Hirntumore oder eine normale Histologie richtig erkannt. Das Team um Sandra Camelo-Piragua von der University of Michigan Medical School in Ann Arbor gibt die Genauigkeit mit 92 Prozent an. 

Die Diagnose könnte jedoch auch ohne Pathologen gelingen. Für das ungeübte Auge sind histologische Hirnschnitte nur schwer zu unterscheiden. Ein Computer kann dies nach einer Lernphase jedoch recht gut. Ein „multilayer perceptron“ erreichte laut Camelo-Piragua eine Genauigkeit von 90 Prozent und war damit dem geübten Auge des Pathologen kaum unterlegen.

rme

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung