Schon wenig körperliche Aktivität kann vor Vorhofflimmern und Schlaganfall schützen
Wer regelmäßig körperlich aktiv ist und dabei die Bewegungsziele der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erreicht, kann sein Risiko senken, ein Vorhofflimmern zu entwickeln oder einen Schlaganfall zu erleiden. Zu diesem Ergebnis kommt eine prospektive Kohortenstudie im European Heart Journal (2021; DOI: 10.1093/eurheartj/ehab250/6283622).
Bewegungsmangel zählt seit längerem zu den möglichen Risikofaktoren für ein Vorhofflimmern und damit für einen Schlaganfall. Die Weltgesundheitsorganisation rät wöchentlich zu 150 Minuten leichter bis mittelschwerer körperlicher Betätigung wie Wandern, Radfahren oder Gartenarbeit. Ob dadurch einer Erkrankung vorgebeugt werden kann, hat ein Team um Steven Lubitz vom Massachusetts General Hospital in Boston jetzt anhand der Daten der UK Biobank-Studie untersucht.
Mehr als 100.000 Teilnehmer hatten sich zwischen 2013 und 2015 bereit erklärt, für eine Woche einen Akzelerometer am Unterarm zu tragen, der ihre körperlichen Bewegungen aufzeichnete.
Insgesamt 2.338 Teilnehmer, die damals im Durchschnitt 62 Jahre alt waren, sind in den folgenden 5,2 Jahren neu an einem Vorhofflimmern erkrankt, 645 erlitten einen Schlaganfall, der eine häufige Folge des Vorhofflimmerns ist: Die Bewegungsstörung des linken Vorhofs begünstigt die Bildung von Thromben, die über die linke Herzkammer und Halsschlagader in das Gehirn abdriften, wo sie die Blutversorgung unterbrechen und einen Hirninfarkt auslösen.
Die Forscher haben die Daten der Akzelerometer mit den späteren Erkrankungen in Beziehung gesetzt. Tatsächlich war ein eindeutiger Zusammenhang erkennbar. Die Teilnehmer, die das WHO-Ziel von 150 Minuten körperlicher Aktivität in der Woche erfüllt hatten, erkrankten später nur etwa halb so häufig an Vorhofflimmern und Schlaganfall als Personen, deren Akzelerometer keine vermehrte körperliche Aktivität aufgezeichnet hatte. Das Risiko nahm dosisabhängig mit jedem Tag der Woche, an dem die Teilnehmer mehr als 25 Minuten körperlich aktiv waren, weiter ab.
Diese erste Analyse dürfte jedoch die präventive Wirkung überschätzen. Ein näherer Blick auf die Zusammensetzung der Gruppen zeigt, dass die Personen, die sich viel bewegten, fast 5 Jahre jünger waren als die Sportmuffel. Sie wiesen auch weniger andere Risikofaktoren für ein Vorhofflimmern auf, die das CHARGE‐AF Consortiuum vor einigen Jahren in einem Score zusammengefasst hat.
Doch auch wenn diese Faktoren berücksichtigt wurden, blieb eine präventive Wirkung nachweisbar. Teilnehmer, die den WHO-Empfehlungen folgten, waren zu 18 % seltener an Vorhofflimmern erkrankt (Hazard Ratio 0,82; 95-%-Konfidenzintervall 0,75 bis 0,89). Ihr Schlaganfallrisiko war sogar um 24 % niedriger (Hazard Ratio 0,76; 0,64 bis 0,90).
Personen, die auch die erweiterten Empfehlungen der WHO erfüllten und sich 300 Minuten pro Woche sportlich betätigten, konnten ihr Risiko übrigens nicht weiter senken.
Der größte Unterschied wurde zwischen den Personen gefunden, die sich wenigstens an 1 Tag in der Woche sportlich betätiget hatten gegenüber denen, die auch dies nicht geschafft hatten.
Mit jedem weiteren Tag sank das Risiko weiter, allerdings nicht mehr so stark. Die Ergebnisse liefern deshalb einen niederschwelligen Anreiz für alle Personen, die sich bisher gar nicht bewegen, dies wenigstens ein- oder zweimal in der Woche zu tun, um ihr Risiko auf ein Vorhofflimmern oder einen Schlaganfall zu senken.
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