Gesundheit

Schützen Brillen vor SARS-CoV-2?

  • Freitag, 18. September 2020

Als im Frühjahr die COVID-19-Zahlen in China anstiegen, fiel auf, dass sich unter den Erkrankten ungewöhnlich wenige Brillenträger befanden. An der Universitätsklinik in Nanchang lag der Anteil bei 5,8 %. In der chinesischen Bevölkerung ist jedoch fast jeder dritte kurzsichtig. Könnte es sein, dass die Brillen einen Schutzschild gegen SARS-CoV-2 bilden?

Die Konjunktivae sind ein möglicher Eintrittsort für Viren. Ob auch SARS-CoV-2 über die Augen in den Körper gelangt, ist nicht geklärt. Symptome an den Augen sind bei Erwachsenen selten. Bei Kindern ist dies häufiger der Fall.

In einer Querschnittstudie aus China wurde bei 22,7 % der pädiatrischen Patienten ein konjunktivaler Ausfluss, Augenreiben und eine Schwellung der Bindehaut beobachtet. Eine mögliche Erklärung war, dass Kinder sich krankheitsbedingt an den Augen berühren, etwa wenn sie weinen. Die Viren können dann sekundär mit den kontaminierten Fingern in die Augen gelangt sein.

Eine direkte Infektion durch Aerosole oder Tröpfchen ist vorstellbar. Die Beobachtungen, die ein Team um Yiping Wei jetzt in JAMA Ophthalmology (DOI: 10.1001/jamaophthalmol.2020.3906) vorstellt, sind allerdings kein Beweis. Tatsächlich war der Anteil der Brillenträger höher, als die im Abstract genannten 5,8 %. Diese Zahl bezog sich auf die Personen, die angaben, die Brille länger als 8 Stunden am Tag zu tragen.

Der Gesamtanteil der Brillenträger lag bei 10,9 %. Das ist immer noch weniger als der Anteil der Kurzsichtigen in China, den Wei mit 31,5 % angibt. Diese Zahl hat Wei einem Handbuch zur Gesundheit von Studenten aus dem Jahr 1987 entnommen. Sie ist nicht unbedingt repräsentativ für die derzeitige Situation in der Provinz Jiangxi und seiner Hauptstadt Nanchang.

Ein wichtiger Einwand ist, dass die Studie zu Beginn der Pandemie durchgeführt wurde. Ob andere Schutzmaßnahmen wie eine Mund-Nasen-Bedeckung oder eine räumliche Distan­zierung durchgeführt wurden, wird aus der Studie nicht ersichtlich.

Wei verzichtet auch auf eine statistische Auswertung der Beobachtung. Bei einer Gesamt­zahl von 276 Patienten, von denen nur 16 über mehr als 8 Stunden am Tag eine Brille trugen, bleibt es unklar, ob die Assoziationen wirklich signifikant sind. Ob eine Brille deshalb einen zusätzlichen Schutz vor einer Infektion bietet, ist deshalb fraglich. Ein Ersatz für eine Mund-Nasen-Bedeckung ist sie sicherlich nicht.

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