Politik

Schweigepflicht: De Maizière will auf Ärzte zugehen

  • Donnerstag, 11. August 2016
Uploaded: 11.08.2016 12:44:57 by maybaum
Bundesinnenminister Thomas de Maizière /dpa

Berlin – Die Schweigepflicht für Ärzte soll gewahrt bleiben. Das hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière heute in Berlin betont. Er wies Berichte zurück, er wolle die ärzt­liche Schweigepflicht aufheben in Fällen, in denen Mediziner möglicherweise Hinweise auf eine von Patienten ausgehende Gefahr haben. Sein Ziel sei es, zusammen mit der Ärzte­schaft eine „einvernehmliche“ Lösung zu finden, „wie wir Gefährdungen ausschlie­ßen und Handlungssicherheit für die Ärzte schaffen“. De Maizière betonte: „Mit der Lockerung der Schweigepflicht hat das gar nichts zu tun.“ Es gelte im Dialog mit der Ärzte­schaft nach Lösungen suchen, wie die Gefährdung der Bürger im Antiterrorkampf verrin­gert werden könne, sagte er.

„Es ist gut, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière heute klar gestellt hat, dass die ärztliche Schweigepflicht nicht zur Disposition gestellt werden soll“, erklärte Frank Ulrich Mont­gomery, Präsident der Bundesärztekammer. Man nehme sein Angebot an, in einem gemeinsamen Gespräch mit ihm und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe die Prinzipien ärztlicher Schweigepflicht zu erläutern und die durch die ent­sprechenden Paragrafen des Strafgesetzbuches mitunter entstehenden schwierigen Situationen zu erörtern.

Auch der Marburger Bund (MB) und die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) begrüßen die Klarstellung des Innenministers. Ärzte gin­gen verantwortungsvoll mit ihrer Verschwiegenheitspflicht um, sagte der 1. MB-Vor­sitz­en­de Rudolf Henke. Es sei gut, dass der Minister im Dialog mit der Ärzteschaft Fragen der Handlungssicherheit für Ärzte er­örtern wolle, wenn diese im Falle eines rechtfertigenden Notstands Behörden infor­mier­ten. Henke stellte klar, dass Ärzte einer Güterabwägung fol­­gen, die auf der Grundlage einer Einzelfallbeurteilung vorge­nommen werden müsse. „An dieser individuellen ärzt­lichen Einschätzung wird sich wenig ändern lassen“, so Henke.

„Psychotherapeuten können psychisch kranke Menschen, die sich oder andere zu ge­fährden drohen, meist wirksam behandeln und von ihren Plänen abbringen. Dafür brau­chen sie aber das uneingeschränkte Vertrauen ihrer Patienten, damit diese über­haupt von ihren Vorhaben berichten“, erklärte BPtK-Präsident Dietrich Munz. Psychisch kranke Menschen sollten keine Angst davor haben müssen, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Aus BPtK-Sicht reichen die geltenden Regelungen in der Berufsordnung der Psycho­the­ra­peuten und im Strafgesetzbuch aus. Psychotherapeuten sind bereits jetzt von der Schweigepflicht entbunden, wenn ein Patient eine Gefahr für das Leben anderer Men­schen darstellt. Wenn eine konkrete Gefahr droht, können Psychotherapeuten die Be­hörden informieren. Bei schweren Straftaten wie Mord, Totschlag oder Geiselnahme, be­steht sogar die Pflicht, die Polizei zu benachrichtigen, so die BPtK.

„Wir werden jetzt die Entwicklungen und Gespräche der nächsten Wochen und Monate sehr genau beobachten“, kündigte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzte­ver­bandes, Ulrich Weigeldt, an. Allen Beteiligten müsse dabei klar sein, dass Ärzte nicht der verlängerte Arm der Sicherheitsbehörden seien.

Debatte im Vorfeld
Eine mögliche Aufweichung der Schweigepflicht hatte im Vor­feld heftige Diskussionen ausgelöst. „Die angespannte innen­politische Sicherheitslage darf nicht zu vor­schnellen politischen und rechtlichen Maßnahmen ver­leiten“, mahnte der BÄK-Präsident gestern. Das Patientengeheimnis diene dem Schutz der Privatsphäre der Pa­tienten und werde als Grundrecht durch die Verfassung geschützt. Nur eine weit­gehend unein­ge­­schränkte ärzt­liche Schweigepflicht schaffe die Voraussetzungen für das uner­lässliche Vertrauens­ver­hältnis zwischen Patienten und Ärzten. Montgomery betonte zu­gleich, dass die Ärzte­schaft einem konstruktiven Dialog mit der Politik und den Behörden über kon­krete Fall­situationen offen gegenüber steht.

De Maizière kündigte heute zugleich an, mit einem umfang­reichen Sicherheits­paket die Gefahr terroristischer Anschläge in Deutschland ein­dämmen zu wollen. Dies umfasst un­ter anderem Verschärfungen für straffällig gewordene Ausländer und soge­nannte Ge­fähr­der an. Sie sollen verstärkt in Haft genommen und schneller abgeschoben werden können.

De Maizière reagiert mit seinen Vorschlägen auf die Anschläge von Würzburg und Ans­bach im Juli, die von Flüchtlingen verübt wurden. Die Duldung ausreisepflichtiger Aus­län­der soll verkürzt werden, wenn sie etwa falsche Angaben zur Identität machen. Wer an Terrorkämpfen im Ausland teilnimmt, soll die deutsche Staatsbürgerschaft ver­lieren können. Sympathiewerbung für Terrorismus werde künftig unter Strafe gestellt.

Um der Radikalisierung von Flüchtlingen entgegenzuwirken, hält der Minister eine bessere soziale Betreuung für notwendig. Lehrkräfte müssten besser auf den Umgang mit traumatisierten Personen vorbereitet werden. Überprüft werden soll auch die Über­mittlung von Daten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) an die Sicherheitsbehörden.

Seine Vorschläge könnten schnell und noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt wer­den, sagte de Maizière. Sie seien auch für den Koalitionspartner SPD „politisch zumut­bar“.

dpa/afp/may

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung