Schwer psychisch Kranke: NPPV-Projekt als Vorlage für die Regelversorgung

Berlin – Die gesetzliche Regelung für eine berufsgruppenübergreifende und koordinierte psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung ist bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auf ein positives Echo gestoßen.
Der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen bezeichnete die im Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung im Omnibusverfahren aufgenommene Regelung als „Chance für eine verbesserte Vernetzung der bestehenden Versorgungsleistungen für Patientinnen und Patienten, insbesondere für schwer psychisch erkrankte Menschen“.
Gassen sieht, ebenso wie der Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) Frank Bergmann, in der gesetzlichen Vorgabe die Strukturen des Innovationsfondsprojekts einer „Neurologisch-psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung (NPPV)“ zugrunde gelegt, das seit im April 2017 in der Region der KVNO läuft. Bergmann bezeichnete das erfolgreich laufende Projekt zuletzt auch im Deutschen Ärzteblatt als „Blaupause für die Regelversorgung“.
„Ich freue mich, dass die Idee unseres NPPV-Projekts vom Gesetzgeber aufgegriffen wurde. Wir haben dadurch die Chance, einen großen Schritt bei der koordinierten Zusammenarbeit von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen, Psychotherapeuten und weiteren an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen voranzukommen“, erklärte Bergmann jetzt.
Fester Bezugsarzt- oder -psychotherapeut als Lotse im System
Im NPPV-Projekt wird den Patienten jeweils ein fester Bezugsarzt oder -psychotherapeut als Lotse an die Hand gegeben, der ihre Versorgung bei Bedarf mit den anderen Fachgruppen koordiniert sowie Gruppenangebote und Online-Interventionen einbinden kann. Es ist immer der Facharzt oder Psychotherapeut, der mit dem jeweiligen Krankheitsbild am vertrautesten ist.
Das NPPV-Projekt läuft seit seinem Start sehr vielversprechend: 580 Fachärzte und Psychotherapeuten an 371 Praxisstandorten in Nordrhein haben sich seit April 2017 eingeschrieben. Insgesamt sind in Nordrhein 4.468 Ärzte und Psychotherapeuten dieser Fachgruppen niedergelassen.
Rund 7.000 Patienten konnten für den NPPV-Vertrag rekrutiert werden. Mit 51 Prozent sind schwere Depressionen der häufigste Einschreibegrund, gefolgt von psychotischen Störungen, Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Schlaganfall, Demenz und Traumafolgestörungen.
Netzwerkmanagement unterstützt bei der Koordination
Eine große Entlastung bei der Koordination bietet den Ärzten und Psychotherapeuten im NPPV-Projekt das Unternehmen IVPNetworks. Das Netzwerkmanagement stellt unter anderem mit der webbasierten Software IVPnet eine digitale Versorgungslösung bereit, mit der der Arzt oder Psychotherapeut anhand leitlinienbasierter Behandlungspfade durch die Patientendokumentation geführt wird. Das NPPV-Projekt wird im Rahmen des Innovationsfonds bis Ende 2020 gefördert.
Der Gesetzgeber hat mit einer Regelung im Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz vorgesehen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bis zum 31. Dezember 2020 eine eigenständige Richtlinie für eine „berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung von Menschen mit komplexem psychiatrischen und psychotherapeutischen Handlungsbedarf“ erarbeiten soll.
Das Gesetz wurde am 26. September im Bundestag beschlossen. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen, dafür ist der kommende Freitag anberaumt.
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