Sexualisierte Gewalt: Viele Fälle im Sport werden nicht angezeigt

München – Wenn Kinder und Jugendliche beim Sport Opfer sexualisierter Gewalt werden, dann meist im Verein, von männlichen Trainern und mithilfe von Handykontakt. Dies hat eine heute veröffentlichte Sonderauswertung des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA) ergeben.
Demnach wurden nach den jüngsten Daten von 2022 nur sehr selten entsprechende Fälle angezeigt, obwohl laut wissenschaftlichen Studien zwischen 20 und 60 Prozent aller Befragten als Kind oder Jugendliche von sexualisierter Gewalt im Sportkontext betroffen waren.
Diese Diskrepanz könne unterschiedliche Gründe haben, erläuterte das LKA. „Häufig liegt es daran, dass erfolgte Grenzüberschreitungen von den Kindern nicht als solche wahrgenommen beziehungsweise nicht richtig eingeschätzt werden. Zudem fällt es den Betroffenen wegen aufkommender Scham- und Schuldgefühle schwer, sich jemandem anzuvertrauen.“
Grundsätzlich ereigneten sich deutlich mehr Fälle im Vereins- als im Schulsport. „Bei der Mehrheit handelt es sich um sogenannte Hands-off-Delikte wie verbale Belästigungen, Text- und Bildnachrichten mit sexuellem Inhalt sowie die Aufforderung, Nacktbilder zur Verfügung zu stellen“, schilderte das LKA. „Vergewaltigungen sind äußerst selten.“
Die in der Regel allein handelnden Täter seien fast ausnahmslos männlich, größtenteils erwachsen und als Trainer oder Übungsleiter ehrenamtlich tätig. Mädchen wie Jungen würden gleichermaßen zum Opfer. Die Täter nähmen dabei gezielt Einfluss auf die Kinder und Jugendlichen, um sie für ein- oder mehrmalige sexuelle Grenzüberschreitungen vorzubereiten.
„Dabei schrecken sie unter Umständen auch vor massiver Einschüchterung nicht zurück“, warnten die Ermittler. Die Kommunikation erfolge in der Regel über Messengerdienste, um die Beziehung zum Opfer außerhalb der Trainingsumgebung zu intensivieren und zu sexualisieren.
Um sexualisierter Gewalt im organisierten Sport effektiv vorzubeugen, ist laut Polizei noch mehr Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung nötig. „Das Vorhandensein von Schutzkonzepten allein reicht nicht aus – sie müssen auch kommuniziert und umgesetzt werden.“
Alle Beteiligten müssten Gefährdungsfaktoren und Ansprechstellen ebenso kennen wie klar vorgegebene Beschwerdewege und einfache Verhaltenstipps, vor allem im Umgang mit betroffenen Kindern.
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