Sinkende Infektionszahlen bestätigen Maßnahmen gegen Pandemie

Berlin – Mit „guten Nachrichten“ hat das Robert-Koch-Institut (RKI) heute seine turnusmäßige Pressekonferenz eröffnet. Nach Angaben von Präsident Lothar H. Wieler sinkt die Zahl der übermittelten Infektionsfälle weiter ab. In der vergangenen Woche seien täglich zwischen 700 und 1.600 Fälle an das RKI gemeldet worden. Damit beträgt die Gesamtzahl der SARS-CoV-2 Infizierten 163.860, die der Genesenen bei etwa 135.100. Die Reproduktionsrate (R) werde auf 0,71 geschätzt.
Die Zahl der täglich gemeldeten Todesfälle sei allerdings weiterhin hoch, sie liege zwischen 40 und 200, sagte der RKI-Präsident. Der Anteil der Verstorbenen unter den bestätigten Fällen sei in den vergangenen Wochen kontinuierlich gestiegen und liege nun bei 4,2 Prozent. Betroffen seien vor allem Patienten aus Pflege-, Altenheimen und Krankenhäusern. Das Durchschnittsalter bezifferte Wieler auf 81 Jahre, „87 Prozent sind über 70 Jahre alt.“
Zufrieden äußerte sich Wieler auch über die Zahl der in Deutschland vorgenommenen Labortests: rund 2,4 Millionen bis einschließlich Kalenderwoche 17. Davon seien circa 7,2 Prozent positiv auf SARS-CoV-2 ausgefallen. Mit Stand Kalenderwoche 18 lägen die Laborkapazitäten bei rund 142.000 pro Tag, hieß es unter Berufung auf Daten von 133 Laboren. Es würden Anstrengungen unternommen, um die Testkapazitäten weiter zu erhöhen. „Das ist wichtig, um ein genaues Bild zu bekommen“, sagte Wieler.
Positiv wertet Wieler auch, dass inzwischen alle Kliniken ihre Kapazitäten an verfügbaren Intensivbetten in das DIVI-Register einspeisen würden. Anhand dieser Daten werde bestätigt, dass in Deutschland ausreichend Therapieplätze zur Verfügung ständen. Probleme bei der Versorgung von Patienten mit COVID-19 auf Intensivstationen seien nicht absehbar, so Wieler. „Bei der derzeitigen Dynamik muss man deutlich sagen, werden keine Engpässe prognostiziert.“ Dies sei eine erfreuliche Entwicklung, wenn auch nur eine Momentaufnahme.
Pandemie-Lockerungen müssen lokal entschieden werden
Auf die unterschiedlichen Lockerungen der Maßnahmen gegen die Pandemie in einzelnen Bundesländern angesprochen, betonte Wieler, dass das RKI der Politik nur lediglich Messparameter und Indikatoren nenne, die für solche Entscheidungen anzuwenden seien.
Dazu gehöre die lokale Dynamik der Transmission, die Schwere der Erkrankungen und die Kapazität der dortigen Krankenhäuser. „Wie diese Parameter jeweils vor Ort sind, kann das RKI nicht beurteilen. Dies muss jeweils lokal erhoben werden. Die Politik entscheidet dann das weitere Vorgehen.“ Wieler stellte jedoch klar, dass man das Infektionsgeschehen im Blick behalten muss, um gegebenenfalls auch Lockerungen zurückzunehmen.
Gefragt, ob die geplante Tracing-Warn-App angesichts der sinkenden Infektionszahlen nicht zu spät komme, verneinte Wieler: „Es wird sicher eine zweite und wahrscheinlich sogar eine dritte Infektionswelle kommen.“ Die App käme also nicht zu spät.
Sie sei schwierig zu programmieren, das Projekt werde aber mit Verve vorangetrieben. „Die Pandemie wird uns so lange beschäftigen, bis 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung infiziert sind.“ Wann die App fertig sein werde, möchte Wieler nicht einschätzen. Es werde aber sieben Tage pro Woche an ihr gearbeitet.
Die häufig zitierte Heinsberg-Studie ist seiner Meinung nach richtig und wichtig: „Die Daten sind mit sauberen, nachvollziehbaren Methoden erhoben worden. Sie gelten aber nur für den Ort Gangelt.“ Die dortige geringe Mortalitätsrate von 0,37 Prozent sei erfreulich. Diese auf das ganze Land zu übertragen, hält Wieler für problematisch. „Die Interpretation ist das Fragliche, nicht die Studie an sich.“
Notwendige Rückkehr zur medizinischen Regelversorgung
Angesichts der kontinuierlich sinkenden Infektionszahlen mahnt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) heute die Rückkehr zur medizinischen Regelversorgung an. So lange die Reproduktionszahl unter dem Wert 1 bleibe, sei eine Überforderung der medizinischen Behandlungskapazitäten nicht zu befürchten.

„Eine größere Bedrohung stellen andere Gesundheitsrisiken dar, wenn eine Rückkehr zur vertragsärztlichen Regelversorgung nicht zeitnah erreicht wird“, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzender Andreas Gassen. So dürften Vorsorge und Krankheitsfrüherkennung sowie regelmäßige Verlaufskontrollen bei behandlungsbedürftigen chronischen Krankheiten nicht länger ausgesetzt werden.
Dies gelte insbesondere für chronisch kranke Patienten, wie etwa 2,1 Millionen mit COPD, 2,5 Millionen mit Herzinsuffizienz, 7 Millionen mit Diabetes mellitus und 19 Millionen mit Hypertonie. Eine schrittweise Rückkehr zum Normalbetrieb in den Praxen sei ebenso zwingend erforderlich, wie im Alltagsleben der Bürger, so Gassen.
„Dies gilt umso mehr, als in den Praxen alles getan wurde, um eine separate Behandlung von COVID-Patienten zu organisieren, wie insbesondere durch vom normalen Praxisbetrieb getrennte sogenannte Infektionssprechstunden zum Schutz anderer Patienten und nicht zuletzt auch des Praxispersonals“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der KBV, Stephan Hofmeister.
Allerdings sei eine ausreichende Schutzausrüstung, wie insbesondere Mund-Nasen-Schutz sowie Schutzkittel für das Praxispersonal unabdingbare Voraussetzung für eine Rückkehr zum Normalbetrieb in den Praxen.
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