Sinnkrisen treiben Pflegekräfte aus dem Beruf

Bochum – Es ist nicht allein eine als zu gering empfundene Entlohnung, die Pflegekräfte aus dem Beruf treibt. Vielmehr erleben viele Pflegende den Konflikt zwischen ihrem ursprünglichen Berufsideal und dem betrieblichen Alltag als so belastend, dass sie ihren Beruf nicht mehr ausüben wollen oder können. Eine entsprechende Untersuchung zu Erwerbsminderungsrenten in der stationären Pflege hat jetzt das Institut Arbeit und Technik (IAT / Westfälische Hochschule) vorgestellt.
Dem aktuellen Forschungsstand zufolge wird der frühzeitige Berufsausstieg von Pflegekräften häufig als Folge der hohen Arbeitsbelastung erklärt: Die Ökonomisierung der Medizin habe eine Umstrukturierung der Tätigkeiten bewirkt, welche zu einer höheren Arbeitsbelastung geführt habe. „Bisher unberücksichtigt bleibt, dass die ökonomischen und strukturellen Veränderungen vor allem zu einem Wandel des pflegerischen Berufsbildes geführt haben“, heißt es in der IAT-Arbeit. Neben der Gesundheit habe aber auch die Motivation der Beschäftigten einen hohen Einfluss auf deren Arbeitsfähigkeit im Alter.
„Fabrik Krankenhaus“ verändert das Berufsbild
Die IAT-Autoren sehen die Beantragung einer Erwerbsminderungsrente als die „individualisierte Lösung eines strukturellen Konfliktes“: Die Pflegekraft verlasse mit der gesellschaftlich legitimierten Begründung „schwere Krankheit“ das Berufsfeld. Die hohen Erwartungen durch die Berufsausbildung könnten in der „Fabrik Krankenhaus“ nicht mehr befriedigt werden. Der Wandel des Berufsbildes habe das berufliche Selbstverständnis der Pflegenden in Frage gestellt und dazu geführt, dass eigene Ansprüche sogar trotz erhöhtem Engagements nicht mehr befriedigt werden könnten.
Der Pflegeberuf ist laut der Arbeit aus der christlichen Krankenpflege entstanden und war daher primär als Berufung konzipiert. Der Lohn sei schon immer gering gewesen und die Belastungen hoch, allerdings habe der Glaube an den Sinn der Tätigkeit den Beschäftigten Kraft gegeben und eine andere Bewertung der Belastung ermöglicht. „Das Element der Berufung ist im Zuge der Ökonomisierung des Gesundheitswesens weitgehend verloren gegangen beziehungsweise wurde auf ein Minimum reduziert“, schreiben die Autoren.
Als mögliche Gegenstrategien sehen die Autoren Ansätze im betrieblichen Gesundheitsmanagement und Rehabilitationsmaßnahmen mit einem konkreten Bezug zum Beruf. Auch sollten Betriebsärzte und Führungskräfte durch Schulungen besser für die Probleme am Arbeitsplatz und Möglichkeiten der Prävention sensibilisiert werden.
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