Medizin

Smartphones ersetzen Hausarzt – Modellprojekt beginnt

  • Samstag, 1. April 2017
/carballo, stock.adobe.com
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Berlin - In den Universitätsstädten Münster, Göttingen und Tübingen bleiben ab dem heutigen 1. April die Hausarztpraxen geschlossen. Die medizinische Grundversorgung der überwiegend studentischen Bevölkerung übernimmt ab sofort eine Gesundheits-App, die das Deutsche Ärzteblatt zusammen mit Google, Apple und Microsoft entwickelt hat. Die auf der Cebit vorgestellten Ergebnisse einer Studie an mehreren US-Uni­versitäten haben die deutsche Ärzteschaft überzeugt. Die freigesetzten Hausärzte erhalten kurzfristig eine Fortbildung zum Geriater. So sollen Versorgungslücken in der Generation vermieden werden, die noch ohne Mikrocomputer in der Hosentasche aufgewachsen ist.

„Viele unserer Kollegen in Universitätsstädten haben in den letzten Jahren die Freude am Beruf verloren“, erläutert Prof. Heureka Vanderbit, Leiter der wissenschaftlichen IT-Abteilung beim Deutschen Ärzteblatt. Einige Ärzte hatten zuletzt nur noch Patienten, die das Arztzimmer mit dem Smartphone in der Hand betraten und die Diagnose früher kannten als ihr Arzt. Fragen in der Anamnese wurden häufig an den digitalen Sprachassistenten weitergeleitet. „Siri meint, es könnte eine akute Exazerbation einer chronischen Bronchitis sein und sie sollten folgendes Antibiotikum verschreiben“.

Der Vorschlag zu eingehenden Untersuchungen wird immer häufiger mit dem Hinweis belächelt, das hätte ihre Health App längst erledigt. Smartphones messen nicht nur Herzfrequenz und Blutdruck. Auch EKGs und EEGs liegen bereits vor dem Betreten der Praxis vor. Wie die Smartphones dies schaffen, ist auch Experten wie Prof. Vanderbit häufig nicht klar. „Viele Zusatzgeräte werden wohl im Darknet gehandelt“, vermutet Prof. Vanderbit. 

Die meisten Patienten googeln nicht nur vor dem Arzttermin, welche Diagnose ihre Symptome erklärt. Viele haben zuhause bereits die notwendigen Laboruntersuchungen mit Teststreifen durchgeführt. 

Viele Ärzte haben das Problem zunächst ignoriert. „Dass die Gesundheits-Apps irgendwann unsere Arbeit übernehmen könnten, erschien ihnen als absurd“, sagt Prof. Vanderbit. Später reagierten die Ärzte zunehmend ärgerlich auf ihre Patienten. Die Patienten mussten das Smartphone vor Betreten des Arztzimmers ausschalten und abgeben. Es folgte eine Phase des Verhandelns, in der die Ärzte zunehmend Interesse an der neuen Technik bekundeten und auch selbst schon einmal ihre Diagnose im Internet überprüften. Danach kam es zu tiefen Depressionen. Inzwischen haben die meisten Hausärzte akzeptiert, dass ihre Fähigkeiten nicht mehr benötigt werden. 

Die meisten waren früher stolz auf ihre diagnostischen Fähigkeiten, inzwischen ist klar, dass die Algorithmen der Suchmaschinen ihnen klar überlegen sind. Prof. Vanderbit zieht eine Parallele zum Schachspiel. Bobby Fischer konnte noch einen Großraumrechner in 20 Zügen matt setzen. Inzwischen lassen sich selbst Weltmeister wie Magnus Carlsen von Computern ihre Fehler erklären. Es war wohl nur eine Frage des Zeit, bis das ärztliche Denken von einer künstlichen Intelligenz übernommen wird. 

Dies zeigen auch die im Frühjahr auf der Cebit in Hannover vorgestellten Ergebnisse einer Studie an den US-Universitäten Yale, Havard und Boston. Eine Gruppe von 2.600 jugendlichen Patienten war auf zwei Gruppen verteilt worden. Die erste Gruppe wurde wie bisher von einem Allgemeinarzt behandelt. In der zweiten Gruppe übernahm eine Gesundheitsapp die Aufgabe des Arztes. Eine „Doc-Bot“ genannte Software führte die Anamnese und stellte dann die Diagnose. Die diagnostische Treffsicherheit war deutlich höher. 

In einem Modellprojekt an den Universitätsstädten Münster, Göttingen und Tübingen soll „Doc-Bot“ jetzt auch in Deutschland getestet werden. Studenten können sich im Verlauf des heutigen Tages beim Deutschen Ärzteblatt anmelden. Das Versorgungsangebot richtet sich an alle Kassenpatienten ab dem Geburtsjahr 1984. Ältere Patienten können teilnehmen, wenn sie ihre IT-Kompetenz in einem Onlinetest nachgewiesen haben. 

Die Teilnehmer erhalten einen Link, wo sie kostenlos ihre Software downloaden können. Im Fall einer Erkrankung können Sie dem „Doc-Bot“ ihre Beschwerden schildern. Dieser stellt dann eine Verdachtsdiagnose und veranlasst die notwendigen Untersuchungen. Arzneimittelverordnungen werden sofort an eine Internet-Apotheke weitergeleitet. Die Medikamente kommen dann mit der Post - bei Prime-Mitgliedern häufig noch am gleichen Tag.

Mittelfristig werden wohl auch Fachärzte durch den „Doc-Bot“ ersetzt. Apple arbeitet dem Vernehmen nach an einer Kapsel, die als I-Stomach oder I-Bowel die Endoskopie selbständig durchführt. Die Geräte screenen die Magen-Darmschleimhaut und senden die Daten per WLAN direkt an das Smartphone. Bei einem Befund erhält der Chirurg eine E-Mail mit einem Terminwunsch. Google arbeitet an dem ersten autonomen Herzkatheter, der sogar Stents einsetzen kann. Microsoft will ein Analysegerät für die Krebsvorsorge entwickeln.

rme

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