Social Distancing Maßnahmen haben COVID-19 eingedämmt

Köln – Frühe Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen waren in der Coronapandemie im Frühjahr 2020 sinnvoll und erfolgreich. Das berichtet ein internationales Wissenschaftlerteam um Emanuel Hansen von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln und Ulrich Glogowsky von der Johannes Kepler Universität Linz im Fachmagazin Plos One (2021; DOI: 10.1371/journal.pone.0257363).
Im Frühjahr 2020 breitete sich die COVID-19-Pandemie schnell in Europa aus. Nach anfänglichem Zögern beschlossen die Bundesregierung und die Ministerpräsidentenkonferenz Mitte März in kurzer Folge eine Reihe von Maßnahmen zur Beschränkung sozialer Kontakte, darunter die Schließung von Schulen, Kindergärten und Geschäften. Auch private Treffen von Personen aus verschiedenen Haushalten wurden weitgehend verboten. Die deutsche Politik setzte damit rasche und weitreichende Kontaktbeschränkungen um.
Trotz der schnellen Abnahme der Infektionen in Deutschland wurde die Wirksamkeit der Kontaktbeschränkungen in der Öffentlichkeit und in Fachkreisen laut den Autoren immer wieder bezweifelt. Insbesondere wurde argumentiert, dass die Ausbreitung auch ohne Maßnahmen durch automatische Verhaltensänderungen der Bürger gebremst worden wäre.
Um diese kontroverse Frage zu beantworten, schätzte das Autorenteam den kausalen Effekt der politischen Maßnahmen mit Hilfe von Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) sowie anonymisierter Bewegungsdaten von privaten Mobilfunkanbietern aus den über 400 deutschen Kreisen in einem quasi-experimentellen Analyseverfahren.
Dieses Verfahren nutzt aus, dass die ersten COVID-19-Infektionen in manchen Kreisen vor Beginn der Kontaktbeschränkungen auftraten, in anderen Kreisen dagegen erst deutlich später. Durch den Vergleich von Kreisen mit frühen und späten COVID-Ausbrüchen konnten die Forscher schätzen, wie sich das Verhalten der Bürger und das Infektionsgeschehen in Deutschland ohne die Social Distancing Maßnahmen entwickelt hätten.
Im 1. Schritt stellten die Forscher mit Hilfe der Mobilfunkdaten fest, dass die politischen Maßnahmen die räumlichen Bewegungen der Menschen wie gewünscht um durchschnittlich 30 % reduzierten. Im 2. Schritt fanden sie Evidenz für eine effektive Eindämmung des pandemischen Geschehens: Schon innerhalb der ersten 3 Wochen konnten danach laut ihrer Berechnung durch die Kontaktbeschränkungen in Deutschland über 80 % der COVID-Infektionen und über 60 % der entsprechenden Todesfälle vermieden werden, die es ohne die Maßnahmen gegeben hätte. Nach den Schätzungen der Forscher hätte es in Deutschland ohne die Maßnahmen alleine bis Anfang April 2020 etwa 500.000 zusätzliche Ansteckungen und etwa 5.400 zusätzliche Todesfälle gegeben.
„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die frühen Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie in Deutschland erfolgreich waren – entgegen wiederholter anderslautender Behauptungen in Teilen der Öffentlichkeit. Ohne diese Kontaktbeschränkungen wäre es wohl auch in Deutschland – wie in anderen europäischen Ländern – zu einer Überlastung des Gesundheitssystems gekommen“, so Hansen.
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