Soziologe fordert grundlegende Reform der Organspende

München – Eine grundlegende Reform der Organspende in Deutschland fordert der Soziologe Andreas Diekmann. In einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung forderte der emeritierte Professor der Universität Zürich heute die Einführung einer Widerspruchslösung, nach der jeder Bürger ein potenzieller Organspender ist – außer, er hat einer Organspende ausdrücklich widersprochen. Derzeit ist in Deutschland eine Organspende nur möglich, wenn der potenzielle Spender zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat, oder seine Angehörigen für ihn zustimmen.
Diekmann schreibt, durch eine entsprechende Reform könnten in Deutschland mehr Leben gerettet werden als durch alle Abwehrmaßnahmen gegen Terrorismus. Wissenschaftliche Studien ließen vermuten, dass eine Widerspruchslösung eine um 25 bis 30 Prozent höhere Bereitschaft zur Organspende auslösen würde. Appelle an die Moral oder Werbekampagnen seien demgegenüber wirkungslos geblieben.
In Deutschland war die Zahl der Organspenden im Jahr 2017 auf einen Tiefststand gefallen. Bundesweit gab es 797 Organspender, 60 weniger als im Jahr zuvor (2016: 857). Die Anzahl der gespendeten Organe sank um 9,5 Prozent auf 2.594 Organe (2016: 2.867). Mit 9,3 Spendern pro eine Million Einwohner rutschte die Bundesrepublik in Europa endgültig auf die untersten Tabellenränge.
17 europäische Staaten regeln die Organspende über die Widerspruchslösung, darunter auch die Nachbarn Belgien, Luxemburg, Frankreich, Österreich und Polen. Auch Spanien gehört dazu. Dass das Land die weltweit höchste Rate an Organspendern hat, dient oft als Argument für die Einführung einer Widerspruchslösung. Kritiker halten die Widerspruchslösung für verfassungswidrig und kontraproduktiv, weil sie das Misstrauen in die Transplantationsmedizin noch erhöhen könnte.
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