Spahn warnt vor Arzneimittelengpässen wegen Covid-19-Epidemie

Brüssel – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn befürchtet wegen der Covid-19-Epidemie neue Arzneimittelengpässe in Europa. Hintergrund sei der Produktionsstopp in China bei wichtigen Wirkstoffen, der in einigen Wochen zu Knappheit in Europa führen könne, sagte der CDU-Politiker heute vor einem Sondertreffen mit seinen EU-Kollegen in Brüssel. Die EU-Kommission müsse die Lage analysieren und Lösungsvorschläge machen.
Schon vor einigen Tagen hatten Pharmaexperten davor gewarnt, dass Produktionsausfälle in China wegen Covid-19 zu Antibiotika-Engpässen auch in Deutschland führen könnten.
Da die Herstellung von Wirkstoffen in der stark betroffenen Provinz Hubei stillstehe, schwänden die Lagervorräte für die Weiterverarbeitung, hatte Morris Hosseini, Pharmaexperte bei der Beratungsgesellschaft Roland Berger, gesagt. Bei einem längerfristigen Stopp drohten Lieferengpässe. Weltweit sei die Pharmabranche in der Wirkstoffproduktion abhängig von China.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüft mittelfristige Lieferengpässe bei Medikamenten aufgrund von möglichen Einschränkungen in der Pharmaproduktion durch das Coronavirus in China.
Die Behörde bemühe sich um „belastbare Informationen“, ob es womöglich „zeitverzögert zu Lieferengpässen von versorgungsrelevanten Arzneimitteln kommen könnte“, teilte das Bundesinstitut heute mit. Dazu stehe sie „in engem Austausch“ mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und anderen Behörden und Verbänden.
Derzeit gibt es demnach noch keine Engpässe. Bisher lägen „keine Hinweise vor, dass es aufgrund des Coronavirus zu kurzfristigen Liefer- oder Versorgungsengpässen kommen wird“. Es gebe noch keine Hinweise auf eine „Nichtverfügbarkeit von Arzneimitteln“ aufgrund des Ausbruchs des neuartigen Coronavirus.
Konferenz in Brüssel
Das Gesundheitsministertreffen in Brüssel war kurzfristig einberufen worden, um den Kampf der 27 EU-Staaten gegen das Coronavirus zu koordinieren. Bisher gibt es in Europa nur wenige Fälle – in Deutschland sind es 16. Doch will man für eine etwaige Ausbreitung gewappnet sein und eine einheitliche Linie finden.
Verständigt haben sich die Gesundheitsminister darauf, dass Passagiere aus Gebieten mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 bei der Einreise nach Europa demnächst nach möglichen Infektionsrisiken befragt werden können. Die EU-Staaten haben sich auf diese Option geeinigt und Deutschland werde sie nun prüfen, sagte Spahn in Brüssel. Der Punkt sei ihm besonders wichtig gewesen.
Erfragt werden könnten Kontakte zu Bürgern aus einer von der Covid-19-Epidemie betroffenen Region, etwa der chinesischen Provinz Hubei, sagte Spahn. Es gehe vor allem um schnelle Identifizierung im Falle einer Infektion, auch der Sitznachbarn im Flugzeug. Schon jetzt gelte in Deutschland die Anordnung, dass Kontaktdaten von Reisenden für 30 Tage hinterlegt werden müssen.
Einig waren sich die EU-Gesundheitsminister nach Spahns Worten auch darin, zusätzliche Gelder für die Forschung bereitzustellen. Zudem habe man über mögliche Lieferengpässe bei Arzneimitteln gesprochen, die sich aus Produktionsausfällen in China ergeben könnten.
Spahn hatte gestern in Berlin bereits eine stärkere finanzielle Beteiligung der Europäischen Union am Kampf gegen das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 gefordert. Dazu zählte er Forschungsmittel aus dem EU-Haushalt.
Der Bundesgesundheitsminister rechnete aber nicht mit einer schnellen Entspannung der weltweiten Lage. Es sei nicht ausgeschlossen, „dass aus der bisher regional begrenzten Epidemie in China eine weltweite Pandemie werden kann“, sagte er. Dies bedeute, „dass es erst noch schlechter werden wird, bevor es besser wird“.
In China wurden mittlerweile fast 60.000 Infektionen mit Covid-19 bestätigt. Mehr als 1.300 Menschen starben in der Volksrepublik bereits an dem neuartigen Erreger von Atemwegserkrankungen. Außerhalb von China gibt es inzwischen mehr als 400 Infektionsfälle in rund 25 Ländern, darunter 16 nachgewiesene Ansteckungen in Deutschland.
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