Ärzteschaft

Start des bundesweiten Aktionsbündnisses für mehr Chefärztinnen

  • Freitag, 24. Oktober 2025
/Jacob Lund, stock.adobe.com
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Berlin – Frauen sind in ärztlichen Führungspositionen in Deutschland nach wie vor stark unterrepräsentiert. Obwohl inzwischen rund 60 Prozent der Weiterzubildenden weiblich sind, liegt der Anteil der Chefärztinnen bundesweit bei lediglich 15 bis 20 Prozent.

Mit dem neu gegründeten „Aktionsbündnis für mehr Chefärztinnen“ will die Allianz kommunaler Großkrankenhäuser (AKG) das ändern. Organisiert von der AKG-Geschäftsstelle und mit Unterstützung von Gleichstellungsbeauftragten kommunaler Krankenhäuser richtet es sich an Ärztinnen, die kurz-, mittel- oder langfristig eine chefärztliche Position anstreben.

Die Resonanz auf die Gründung sei groß, sagte gestern Thomas Menzel, Vorstandsvorsitzender AKG-Kliniken und Sprecher des Vorstands des Klinikums Fulda, beim ersten Treffen des Bündnisses in Berlin. Dies zeige, dass das Thema die Menschen bewege.

„Es ist überfällig, dass wir gemeinsam daran arbeiten, Parität in Führungsebenen zu gestalten“, sagte er. Die Medizin sei mehrheitlich weiblich. „Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Wir haben kein Nachwuchsproblem, sondern ein Strukturproblem.“

Das Aktionsbündnis wolle nach Wegen suchen, wie man den Frauenanteil in den Führungsebenen erhöhe und die Krankenhäuser erfolgreich in die Zukunft bringen könne, betonte Menzel.

Wichtig seien fünf Punkte: Erstens stärke Vielfalt an der Spitze Qualität, sagte er. Viele Studien zeigten, dass diverse Teams besser Herausforderungen meistern könnten. Zweitens führten Frauen kooperativ und mit Teamgeist. „Diese Haltung brauchen wir“, so Menzel. Drittens würden Krankenhäuser, die Frauen förderten, zu attraktiven Arbeitgebern. „Das wirkt dem Fachkräftemangel entgegen.“

Viertens zeige sich, dass Krankenhäuser mit höherem Frauenanteil in den Führungsebenen auch wirtschaftlich erfolgreicher seien. Und fünftens würden Frauen in Führungsposition auch gesellschaftliche Aufgaben übernehmen, sie seien sichtbare Vorbilder, erklärte Menzel. „Davon kann das gesamte Krankenhaus profitieren.“

Das Thema Parität von Frauen in Führungspositionen sei schon lange auf der Agenda des Deutschen Ärztinnenbundes, sagte Christiane Groß, Ehrenpräsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes. Sie freue sich deshalb über das Entstehen dieses Aktionsbündnisses. „Wir brauchen andere Strukturen“, betonte auch sie. Dies beinhalte auch eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Teilung von Spitzenpositionen.

„Ermutigen Sie junge Kolleginnen und Kollegen auch mal ins tiefe und unbekannte Wasser zu springen“, sagte Gross. Frauen seien häufig zu vorsichtig und forderten nicht so viel. Zudem müssten Frauen verstärkt netzwerken und „Banden“ bilden. 

„Wir müssen aktiv etwas für Parität tun“, sagte Andrea Rothe, Leiterin der Stabsstelle für Betriebliche Gleichbehandlung an der München Klinik. „Denn leider gibt es derzeit keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit.“ Zwar seien an den Krankenhäusern zu 75 Prozent Frauen tätig, jedoch nicht auf den Chefetagen. „Das sind Frauenbetriebe, die von Männern geführt werden“, kritisierte sie.

Seit 15 Jahren erhebe die München Klinik den Anteil der Ärztinnen in allen Karrierestufen, sagte Rothe. Es habe sich bereits einiges getan, wenn es jedoch in dem Tempo weiterginge wie bisher, würde es eine Parität auf chefärztlicher Ebene nie geben.

Rothe erläuterte: Zwar seien Frauen auf den unteren und mittleren Karrierestufen längst in der Mehrheit, doch auf dem Weg nach oben verliere man sie. „Bei den leitenden Oberärztinnen liegt der Anteil heute bei etwa 30 Prozent – das ist immerhin eine Verdoppelung seit 2008. Aber bei den Chefärztinnen stagniert es.“

Rothe benannte gestern mehrere Ursachen: Dies sei zum einen der sogenannte „Similar-to-me-Effekt“. Entscheiderinnen und Entscheider neigten also dazu, Menschen zu fördern, die ihnen ähnlich seien. Und da 85 Prozent der Chefärzte Männer seien, führe das zu einer „sich selbst reproduzierenden Struktur.“

Hinzu kämen fehlende Vorbilder und Netzwerke: „Einflussreiche berufliche Netzwerke und Gremien in der Medizin bestehen fast ausschließlich aus Männern“, sagte sie. Frauen verfügten über weniger eigene Netzwerke, und diese seien oft nicht so mächtig. Zudem erschwerten strukturelle Faktoren den Aufstieg. „Im ärztlichen Dienst wird die Qualität der Arbeit oft noch über die Quantität der Anwesenheit beurteilt“, erläuterte Rothe.

Zudem mangelnde es an alternativen Arbeitszeitmodellen und an Unterstützung beim Wiedereinstieg, beispielsweise nach der Elternzeit. „Die Förderung muss bei jungen Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung anfangen, so Rothe. Es brauche faire Weiterbildungsverträge, eine strukturierte Rückkehr nach der Elternzeit sowie Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Auf den höheren Karrierestufen sei ein Mentoring für Ärztinnen erforderlich sowie Führungscoachings und Netzwerke.  „Es geht darum, dass sich Frauen untereinander stärken und voneinander lernen.“

Einig waren sich gestern die anwesenden Ärztinnen, dass ein nachhaltiger Wandel nur möglich ist, wenn Klinikleitungen und Aufsichtsgremien Gleichstellung aktiv unterstützen. „Das Mühsamste ist der Kulturwandel“, brachte es eine Chefärztin auf den Punkt.

Und klar wurde auch: Trotz aller strukturellen Hindernisse müssen Ärztinnen selbst aktiv werden. Sie dürften sich nicht „zum Jagen tragen lassen.“ „Frauen sollten mutig sein und ihre Karriereziele klar benennen statt zu fragen: ‚Meinen Sie, dass ich das kann?‘, sollten sie sagen: ‚Ich möchte Oberärztin werden. Was fehlt mir noch dafür?‘, riet Trainerin Dagmar Wirtz.

„Kommunale Krankenhäuser wollen Frauen als Chefärztinnen gewinnen“, betonte der Vorstandsvorsitzende der AKG-Kliniken Menzel. Die Zahl der Bewerberinnen sei jedoch momentan noch niedrig. „Das schmerzt uns.“

Das Aktionsbündnis wolle ab sofort ein Impulsgeber sein, Hindernisse zu erkennen und deren Abbau zu unterstützen sowie die Netzwerke zu stärken. „Das Bündnis soll keine Eintagsfliege sein“, so Menzel, „sondern zu einer Bewegung werden.“ Jede Ärztin, die Chefärztin würde, könne nicht nur ihre eigene Stellung verändern, sondern zu einem Vorbild werden. 

ER

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