Statine: Gezieltere Therapie nach Koronarkalkbestimmung
Baltimore – Die JUPITER-Studie hat gezeigt, dass ältere Patienten trotz normaler Cholesterinwerte von einer Statintherapie profitieren können, sofern der Entzündungsmarker C-reaktives Protein (CRP) erhöht ist. Nach einer jetzt im Lancet (2011; 378: 684-692) publizierten Studie ist der Nutzen weitgehend auf Menschen mit nachgewiesener Koronarverkalkung beschränkt.
Ein Einwand gegen die JUPITER-Studie betrifft die starke Ausweitung der Therapie auf große Anteile der älteren Bevölkerung: Die Einschlusskriterien umfassen alle älteren Männer (über 50 Jahre) und Frauen (über 60 Jahre), bei denen das C-reaktive Protein in einem Hochsensitivitäts-Assay auf 2 mg/l oder höher angestiegen ist.
Ein weiteres Einschlusskriterium der Studie war das Vorliegen eines weiteren Risikofaktors (Hypertonie, niedriges HDL-Cholesterin, Rauchen oder eine positive Familienanamnese), was allerdings im Alter sehr häufig erfüllt ist. In der Studie senkte die knapp zweijährige Therapie mit Rosuvastatin (20mg/die) die Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen von 1,36 auf 0,77 pro 100 Personenjahre.
Das ergibt zwar eine relative Minderung um 44 Prozent. Die Zahl der Patienten, die ein Jahr behandelt werden müssen, um ein Ereignis zu vermeiden (Number needed to treat, NNT) ist jedoch relativ hoch. Noch ungünstiger ist das Verhältnis bei der Reduktion der Herzinfarkte, deren Rate von 0,37 auf 0,17 pro 100 Personenjahre vermindert wurde.
Dies begründet die Suche nach weiteren Kriterien, um die Therapie zielgerichteter auf jene Patienten beschränken zu können, bei denen der größte Nutzen zu erwarten ist. Beim Endpunkt Herzinfarkt bietet sich eine Koronarkalkbestimmung an, die heute mittels einer Computertomographie – wenn auch mit erheblichen Kosten und nicht ohne Strahlenbelastung - möglich ist.
Der prädiktive Wert der Koronarkalkbestimmung wurde in den USA in der Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis oder MESA-Studie untersucht. Es handelt sich um eine prospektive Beobachtungsstudie.
Anders als in der JUPITER-Studie wurde nicht untersucht, welchen Einfluss eine Statin-Therapie hat. Die Ergebnisse wären deshalb nur mit dem Placebo-Arm der JUPITER-Studie vergleichbar. Die MESA-Studie zeigt aber, dass koronare Ereignisse nur zu erwarten sind, wenn Koronarkalk, das Korrelat für die atherosklerotischen Plaques, vorliegt: Drei von vier koronaren Ereignissen traten bei den Patienten mit einem Koronarkalk-Score von über 100 Punkten auf.
In dieser Gruppe betrug die Inzidenz 20 pro 100 Personen-Jahre. Bei den Patienten ohne Koronarkalk war die Inzidenz mit 0,8 pro 100 Personen-Jahre deutlich geringer, wobei die Gruppe um Michael Blaha vom Johns Hopkins Hospital in Baltimore ihre Auswertung streng auf jene Patienten beschränkte, die die Einschlusskriterien der JUPITER-Kriterien erfüllten.
Im nächsten Schritt hat Blaha die Risikominderung durch eine Statintherapie in der JUPITER-Studie auf die MESA-Kohorte angewendet. Es handelt sich also um eine Modellrechnung und nicht um das Ergebnis eines klinischen Experimentes.
Laut den jetzt publizierten Ergebnissen beträgt die NNT bei einem hohen Koronarkalk-Score 24 Patienten, die 5 Jahre behandelt werden müssen, um ein koronares Ereignis zu verhindern. Bei fehlendem Koronarkalk wären es 549 Patienten. Für die Auswirkung auf die Gesamtzahl der kardiovaskulären Ereignisse errechnet Blaha eine NNT von 19 für Patienten mit hohem Koronarkalk-Score und von 124 für Patienten ohne Koronarkalk.
Die Zahlen weichen ein wenig von den Angaben ab, die die Gruppe im November letzten Jahres auf der Jahrestagung der American Heart Association vorgestellt hatte. Dies unterstreicht die Tatsache, dass es sich um Modellberechnungen handelt und nicht um die Ergebnisse einer eigenständigen Studie.
Um die Koronarkalk-Bestimmung für den klinischen Alltag zu etablieren, dürfte deshalb eine weiter Studie notwendig werden. Für die Ärzte bleibt es vorerst bei dem Dilemma, dass sie eine hohe Zahl von Patienten unnötigerweise behandeln, wenn sie ihre Therapie an den Ergebnissen der JUPITER-Studie ausrichten.
In einer weiteren Berechnung kommt Blaha zu dem Ergebnis, dass die Koronarkalkbestimmung wesentlich besser als die CRP-Werte ein künftiger Ereignisse vorhersagen. Auch dies dürfte vorerst keine Auswirkungen auf die Leitlinien haben, zumal die CRP-Diagnostik anders als die Koronarkalkbestimmung derzeit nicht zu erschwinglichen Kosten zur Verfügung steht.
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