Streit über Kontrollen für Pflegedienste in Berlin entbrannt
Berlin – Zwischen der Senatsverwaltung für Soziales und dem Neuköllner Sozialstadtrat Michael Büge (CDU) ist ein Streit um schärfere Kontrollen für Pflegedienste entbrannt. Büge hatte am Mittwoch über „systematische“ Manipulationen bei der Abrechnung von ambulanten Pflegeleistungen in seinem Bezirk berichtet. Von vier „auffällig gewordenen“ Pflegediensten würden die Akten geprüft, gegen ein Unternehmen sei Strafanzeige erstattet worden.
Der Stadtrat sprach von „faulen Akten“, weil trotz fehlender Pflegeleistungen entsprechende Tätigkeiten abgerechnet worden seien. Dazu zähle auch das künstliche „Hochrechnen“ von Pflegestufen. Der Schaden für die Pflegekassen betrage fünf Millionen Euro im Jahr.
Der CDU-Politiker hatte ebenfalls bemängelt, dass die Prüfungen aus seiner Behörde heraus schleppend vorankämen. Ihm stünden nur eine Mitarbeiterin und ein Revisor zur Verfügung. Zugleich schätzte Büge ein: „Mit Sicherheit ist die Aktenmanipulation ein berlinweites Problem“. Er fordere eine zentrale Prüfstelle für das Land Berlin, um unseriös arbeitende Dienste „unverzüglich“ stoppen zu können.
Büge greift Sozialverwaltung an
Zugleich unterstellte er der Verwaltung von Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) Passivität gegenüber diesen Vorgängen. Obwohl die Vorwürfe gegen den angezeigten Dienstleister bekannt seien, liefen die Pflegeverträge weiter und ruhten nicht. Es habe unter Verweis auf das schwebende Verfahren aus Bluhms Verwaltung nur eine „ernüchternde Reaktion“ gegeben.
Eine Sprecherin Bluhms erteilte Büges Forderung nach einer zentralen Prüfstelle eine Absage. Bei der Menge auf Pflege angewiesener Bürger sei nur Dezentralisierung sinnvoll. Die Kontrollen sollten auch weiterhin durch die Medizinischen Dienste der Krankenkassen erfolgen, die Rechtsaufsicht sollte bei den Bezirken bleiben.
Die Sprecherin hob hervor, Büge spreche die falsche Stelle an, wenn er verlange, dass sich die Sozialverwaltung für das Ruhen von Verträgen einsetzen soll: Die Verträge würden zwischen den Dienstleistern und den Kassen abgeschlossen. „Wir können auch nicht eingreifen, weil das die bezirkliche Ebene betrifft.“ Die vier von Büge benannten Prüfvorgänge seien ihrer Verwaltung nicht bekannt, betonte sie. Im Übrigen habe jeder Bezirk zwei Controller zur Verstärkung an die Seite gestellt bekommen.
Sprecherin nennt Veröffentlichung Wahlkampfaktion
„Aus unserer Sicht ist Büges Vorpreschen eine Wahlkampfaktion“, sagte die Sprecherin. Es gebe nicht nur seit Monaten einen Runden Tisch zum Thema. Auch ein Arbeitskreis befasse sich seit Frühjahr 2010 damit. Indem Büge die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft veröffentlicht habe, sorge er dafür, dass die Ermittlungen „aufs Schwerste behindert“ würden. Büge habe der Sache keinen guten Dienst erwiesen.
Die AOK Nordost sprach angesichts der Betrugsfälle von der Spitze eines ganzen Eisberges. Sie ermunterte Versicherte, Angehörige und Mitarbeiter von Vertragspartnern, bei Verdachtsmomenten die Missbrauchs-Bekämpfungsstelle der Kasse zu kontaktieren, bei Bedarf auch anonym.
Auch die Arbeitsgemeinschaft Ambulanter Pflege (AAA) verurteilte den Abrechnungsbetrug. Leider machten die Bezirksämter als Kostenträger von vertraglich vereinbarten Prüfmöglichkeiten keinen Gebrauch. Zugleich verwahrte sich die AAA gegen pauschale Verdächtigungen des Neuköllner Sozialstadtrates gegenüber Pflegediensten allgemein.
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