Streit um Strafgebühr für versäumte Arzttermine

Berlin – Angesichts langer Wartezeiten in vielen Praxen schlagen Ärzte erneut Strafgebühren für Patienten vor, die gebuchte Termine platzen lassen.
„Es ist nicht mehr zu akzeptieren, dass Patienten Termine verbindlich vereinbaren und diese nicht wahrnehmen“, sagte der Sprecher des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Jakob Maske, der Bild.
Damit nähmen sie anderen Patienten dringend benötigte Termine weg. „Um Patienten dafür zu sensibilisieren, wäre ein Ausfallhonorar von bis zu 100 Euro, je nach Länge des vorgesehenen Termins, erforderlich“, sagte Maske.
Der GKV-Spitzenverband wies die Forderungen scharf zurück. „Das entwickelt sich zu einem beschämenden Überbietungswettbewerb, wer kranken Menschen am meisten Geld abnehmen möchte“, sagte Sprecher Florian Lanz. Die Alltagserfahrungen der Patienten seien doch vielmehr volle Wartezimmer, in denen trotz eines Termins lange gewartet werden müsse.
Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sagte der Bild, mittlerweile würden zehn bis 20 Prozent der gebuchten Arzttermine nicht mehr wahrgenommen.
Er forderte eine Ausfallgebühr für Patienten „in Höhe von 10 bis 20 Euro, die heutzutage in fast allen Lebensbereichen üblich ist“. Diese Gebühr für das Nichterscheinen von Patienten sollte von den Krankenkassen zu zahlen sein, sagte Gassen.
Die Diskussion über Strafgebühren für ungenutzte Arzttermine kommt immer wieder hoch. So hatte Gassen bereits im September gesagt, dass eine von den Krankenkassen zu entrichtende Ausfallgebühr angemessen wäre, wenn deren Versicherte Termine vereinbarten und dann unentschuldigt nicht wahrnähmen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) signalisierte bereits damals, die Ärzte hätten recht, dass ausgefallene Termine die medizinisch bedingte Ausnahme sein müssten. Geldstrafen seien aber der falsche Weg.
Lauterbach kritisierte heute auch den erneuten Vorstoß. „Es ist unvorstellbar, dass gerade ärmere Eltern 100 Euro bezahlen, wenn sie einen Arzttermin mit ihrem Kind nicht wahrnehmen können“, erklärte er. „Unser wichtigstes Problem ist nicht, dass Patienten ihre Arzttermine nicht wahrnehmen. Das Problem ist vielmehr, dass Patienten keine Arzttermine bekommen oder sehr lange auf Termine warten müssen.“
Deshalb brauche es eine Termingarantie, forderte Lauterbach. Union und SPD hatten in ihren Koalitionsgesprächen vereinbart, für gesetzlich Krankenversicherte eine solche Termingarantie einzuführen.
Der GKV-Spitzenverband forderte eine ernsthafte Debatte und konkrete Lösungen für eine bessere Steuerung – also wie Patienten so schnell wie es ihre Erkrankung erfordert zum richtigen Arzt oder ins richtige Krankenhaus kommen. „Wir brauchen keine Diskussion darüber, dass eine junge Mutter, die es mit ihrem kranken Kind nicht rechtzeitig zu ihrem Kinderarzt schafft, auch noch 100 Euro Strafe zahlen muss“, sagte Lanz.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte die Vorschläge als „absurd“. Die Versicherten würden so „unter Generalverdacht gestellt, Praxen auszunutzen“, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Nötig sei „eine funktionierende, flächendeckende ambulante Versorgung, damit Terminnot erst gar nicht entsteht“.
Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, fordert eine Informationskampagne zur möglichen Einführung eines Primärarztsystems. „Die Patienten dürfen nicht das Gefühl bekommen, in ihrer freien Arztwahl oder Versorgung beschnitten zu werden“, sagte sie dem Nachrichtenportal Web.de News. Deswegen müsse die Politik ihnen vermitteln. „Wenn die Zahl der unnötigen Arztkontakte verringert wird, bleibt insgesamt mehr Zeit für die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Davon profitieren alle.“
In den laufenden Koalitionsverhandlungen von Union und SPD hatte sich die Arbeitsgruppe Gesundheit mit dem Problem befasst, dass viele gesetzlich versicherte Patienten nur schwer an Facharzttermine kommen. Die AG schlug ein „verbindliches Primärarztsystem“ vor.
Der Hausarzt soll dabei erste Anlaufstelle für Patienten sein und diese nur im Bedarfsfall an Fachpraxen weiterleiten. Union und SPD versprechen sich von den Maßnahmen insgesamt eine schnellere Terminvergabe sowie eine zielgerichtetere Versorgung.
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