Streit um US-Studierendenvisa: Medizinerin als „Schachfigur zwischen dem Weißen Haus und Harvard"

Boston – Ausländische Studierende dürfen vorerst an der Harvard Universität in Boston weiterstudieren. Gestern hatte die US-Bundesrichterin Allison D. Burroughs ein Dekret der Trump-Regierung fürs Erste gestoppt, nachdem eingeschriebene internationale Studierende die Universität entweder hätten wechseln oder ausreisen müssen.
Für viele ausländische Studierende an der Harvard Universität bedeutet dies zunächst ein Aufatmen. So auch für Rosalie Wolff von Gudenberg. Die Medizinstudentin aus Hannover absolviert zurzeit ein Forschungsjahr an der Eliteuniversität. „Es gab den kurzen Zeitrahmen, in dem ich realisiert habe: bin ich hier gerade illegal im Land und mein Visum ist nicht mehr gültig?“, berichtet Gudenberg dem Deutschen Ärzteblatt.
Bereits vergangene Woche hatte das Bundesgericht die Unterbrechung des Dekrets vorläufig angeordnet. Doch auch die einstweilige Verfügung von gestern ist noch kein endgültiges Urteil, die Hauptverhandlung steht noch aus.
„Man fühlt sich wie eine Schachfigur zwischen dem Weißen Haus und Harvard“, findet Wolff von Gudenberg. Die Regierung begründet das Vorgehen gegen die Universität mit propalästinensischen Protesten; Harvard gehe nicht ausreichend gegen antisemitische Vorfälle vor.
Doch nicht nur ausländische Studierende der Harvard Universität sind von Vorhaben der US-Regierung betroffen. Neue Bewerbungsverfahren für Studierendenvisa etwa wurden für das ganze Land gestoppt, wie die US-amerikanische Nachrichtenseite Politico berichtete. Das Ziel ist es, die Überprüfung der sozialen Netzwerke beim Visumsantrag auszuweiten.
Chinesische Studierende trifft es besonders hart. US-Außenminister Marc Rubio teilte vorgestern mit, dass allen chinesischen Studierenden mit Verbindungen zur Kommunistischen Partei Chinas oder Studienfächern in kritischen Bereichen das Visum entzogen werden solle.
„Kritische Bereiche“ werden in der Mitteilung des Weißen Hauses nicht näher benannt. Insbesondere Themen der Genderforschung sind der US-Regierung allerdings ein Dorn im Auge. Wolff von Gudenbergs Forschungsbereich dürfte nicht dazugehören.
„Ich bin hier in der Transplantationsimmunologie und wir forschen vor allem daran, wie Alter oder Geschlecht das Transplantationsoutcome beeinflusst“, berichtet sie. Da ihr Forschungsbereich zwar Geschlechterforschung, allerdings keine Genderforschung beinhalte, geht die Medizinstudentin davon aus, dass es kein kritischer Bereich ist.
Ganz frei von Sorge ist vermutlich allerdings kein Forschungsprojekt. Verschiedene projektbezogene Kosten würden größtenteils über direkte eingeworbene Forschungsgelder regierungsunabhängig finanziert, erklärte Wolff von Gudenberg. Allerdings gebe es auch indirekte Kosten, etwa für die Infrastruktur wie den Gebäudeerhalt Strom oder Wasser, die über das National Institute of Health (NIH) finanziert würden.
Das könnte zukünftig zu einem Problem werden. Denn die Regierung hat mitgeteilt, dass sie Verträge mit der Harvard-Universität kündigen wolle, wie die New York Times berichtete. Dabei soll es um 100 Millionen US-Dollar gehen.
Trotz der Verunsicherung will Wolff von Gudenberg ihren einjährigen Forschungsaufenthalt fortführen und an der Harvard-Universität bleiben. Mehrere Jahre habe sie auf das Forschungsjahr an der Eliteuniversität hingearbeitet. Allerdings versucht die angehende Medizinerin eher im Hintergrund zu bleiben. Auf Inlandsflüge etwa verzichte sie, da niemand wisse, ob sie anschließend wieder nach Boston zurückkehren könne.
„Vielen internationalen Studierenden geht es zurzeit wie mir“, so Wolff von Gudenberg. „Allerdings führt die Unsicherheit gleichzeitig zu mehr Zusammenhalt.“ Man habe Whatsapp-Gruppen gegründet, in denen man sich auf dem Laufenden halte, sich gegenseitig Tipps gebe und Anwaltsnummern austausche.
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