Medizin

Strengere Regeln für Pharmareferenten verändern Verordnungsverhalten der Ärzte

  • Mittwoch, 3. Mai 2017
/Jürgen Flächle stock.adobe.com
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Los Angeles – Die Einführung von Reglementierungen für Pharmareferenten hat an me­dizinischen Hochschulen in den USA den Anteil der Verordnung von Marken­präparate zugunsten von Generika gesenkt. Dies zeigen die Ergebnisse einer Marktforschungs­ana­lyse im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2017; doi: 10.1001/jama.2017.4039).

Auch in den USA werden Ärzte regelmäßig von Vertretern der Arzneimittelhersteller be­sucht. Die Pharmareferenten sind ein wichtiges Marketinginstrument. Sie informieren nicht nur über die Präparate ihrer Arbeitgeber. Oft hinterlassen sie auch kleinere Ge­schen­ke für den Arzt und seine Mitarbeiter. Auch Einladungen zum Essen oder zu Fortbildungen sind verbreitet. 

Dahinter steht das Ziel, den Arzt für die Verordnung des in der Regel teueren Marken­präparates zu gewinnen. In den USA hat es in den letzten Jahren verschiedene Versuche gegeben, einen Wildwuchs einzudämmen. So gab der Pharmadachverband PhRMA 2002 und 2009 Empfehlungen heraus, die die Verteilung von Werbegeschenken ein­schränken sollten. Einladungen zum Essen und Fortbildungsveranstaltungen blieben aber weiterhin erlaubt.

Einige akademische Zentren haben seit 2006 Richtlinien erlassen, die über die freiwillige Selbstbeschränkung des PhRMA hinausgehen. Sie reichten von generelle Verbote für die Ärzte, Geschenke von den Pharmavertretern anzunehmen, bis hin zu einem vollständigen Besuchsverbot der Vertreter. Ian Larkin von der Anderson School of Management an der Universität von Kalifornien in Los Angeles und Mitarbeiter haben untersucht, ob diese Richtlinien das Verordnungsverhalten der Ärzte beeinflusst haben.

Vorher-Nachher-Vergleich

Sie benutzten dafür ein „Difference in differences“-Design: Es handelt sich um einen Vorher-Nachher-Vergleich, der sowohl an den Kliniken durchgeführt wurde, die die Reglementierungen einführt wurden, als auch in einer Kontrollgruppe ohne Reglementierungen. Dies waren in diesem Fall Ärzte, die nicht an akademischen Zentren beschäftigt waren. 

„Difference in differences“-Studien sind in der Wirtschaftswissenschaft ein gebräuch­liches Instrument, um einen kausalen Effekt festzustellen und dessen Wirkstärke zu beschreiben. Randomisierte kontrollierte Studien, die der Goldstandard in der Medizin sind, lassen sich in der Ökonomie in der Regel nicht realisieren.

Am deutlichsten war der Effekt bei Hypnotika

Die Studie umfasste 24.593 Ärzte und 262 Medikamente aus acht Medikamenten­grupp­en von Lipidsenker über Schlafmittel bis hin zu Antidepressiva, die in den USA einen Jahresumsatz von mehr als 60 Milliarden US-Dollar erzielen. Laut Larkin ist es die bisher größte Studie zum Einfluss des Margeting-Instruments Pharmareferenten auf die Arznei­mittelverordnung.

Ergebnis: In sechs der acht Medikamentengruppen kam es nach den Reglemen­tierun­gen zu einem signifikantem Rückgang der Verordnungen von Markenpräparaten, der in zwei Gruppen von einem signifikanten Anstieg der Verordnungen anderer Präparate be­gleitet wurde. Am deutlichsten war der Unterschied bei den Hypnotika, die in der Regel als Schlafmittel verschrieben werden.

Hier sank der Marktanteil der Markenprodukte um 10,5 Prozentpunkte. Es folgten Mittel zur Behandlung des gastroösophagealen Refluxes mit einem Rückgang um 6,89 Pro­zent­punkte. Markenmedikamente zur Behandlung der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyper­aktivitäts-Störung verloren 5,03 Prozentpunkte, Antidepressiva 2,32 Prozentpunkte, Lipidsenker 1,51 Prozentpunkte und Antihypertensiva 0,84 Prozentpunkte. Bei den Anti­psychotika war der Rückgang um 0,55 Prozentpunkte nicht signifikant. Antidiabetika-Markenpräparate wurden nach der „Verbannung“ der Pharmareferenten sogar tenden­ziell häufiger verordnet. 

Insgesamt sank der Marktanteil der Markenpräparate um 1,67 Prozentpunkte (95-Pro­zent-Konfidenzintervall 1,18 bis 2,18 Prozentpunkte), während der Marktanteil der Nicht­originalpräparate um 0,84 Prozentpunkte (0,54-1,14) anstieg. Der Einfluss der Regle­men­tierungen fiel damit insgesamt gering aus, er muss aber vor dem Hintergrund der bereits vorher geltenden verhältnismäßig strengen Regeln für das Medikamenten­marke­ting gesehen werden.

In den USA ist beispielsweise die Bewerbung für Off-Label-Indikationn streng verboten. Verstöße werden streng geahndet. Im Jahr 2009 zahlte der Hersteller Eli Lilly 1,4 Milliar­den Dollar Strafe, weil er das Antipsychotikum Olanzapin zur „Ruhigstellung“ von Pflege­heimbewohnern beworben hatten.

rme

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