Medizin

Studie: E-Zigaretten lösen potenziell schädliche Immunreaktionen in der Lunge aus

  • Montag, 23. Oktober 2017
/dpa
/dpa

Chapel Hill/North Carolina – E-Zigaretten, die eine Nikotinaufnahme ohne die gesundheitsschädlichen Verbrennungsprodukte des Tabaks versprechen, sind deshalb nicht notwendigerweise harmlos. Eine Studie im American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine (2017; 195: A1025) zeigt, dass der Dampf in den Lungen zu einer Aktivierung der Immunabwehr führt, deren Auswirkungen auf die Gesundheit noch unklar sind.

E-Zigaretten enthalten neben Nikotin noch einen sogenannten Liquid aus Propylen­glycol und Glycerin sowie Wasser und teilweise Aromastoffe. Der Liquid wird durch einen Heizwiderstand erhitzt, wobei sich aus Propylenglycol und Glycerin (die als Lebensmittelzusätze E 1520 und E 422 unbedenklich sind) toxische Aldehyde wie Formaldehyd und Acrolein bilden, die in höherer Konzentration giftig sind. Form­aldehyd wird von der Internationalen Agentur für Krebsforschung als krebserregend für den Menschen eingestuft. Es gibt deshalb gute Gründe, die Wirkung von E-Zigaretten auf die Gesundheit zu untersuchen. Die langfristigen Folgen werden erst in künftigen epidemiologischen Studien erkannt werden können.

Den kurzfristigen Auswirkungen auf die Atemwege ist ein Team um Mehmet Kesimer vom Marsico Lung Institute in Chapel Hill/North Carolina in einer Proteomanalyse des Sputums nachgegangen, wobei die Ergebnisse von 15 E-Zigaretten-Konsumenten mit denen von 14 Rauchern und 15 Nichtrauchern verglichen wurden. Die Proteomanalyse misst die Konzentration von Proteinen. Die Forscher konzentrierten sich dabei auf Proteine, die an der Immunabwehr beteiligt sind. Ihre Annahme war, dass E-Zigaretten infolge ihres Gehalts an Toxinen Irritationen in der Lunge auslösen würden.

Dies war der Fall. Bei den E-Zigaretten-Konsumenten wurden gegenüber den Nicht­rauchern Veränderungen in 81 Proteinen beobachtet, bei den Rauchern gab es Veränderungen in nur 44 Proteinen. Darunter waren Proteine, die an der Aktivierung der neutrophilen Granulozyten beteiligt sind. Einige dieser Proteine (NE, Proteinase 3, Azurocidin und MPO) waren im Sputum von E-Zigaretten-Konsumenten sogar in höherer Konzentration vorhanden als bei den Tabakrauchern. Die Zahl der neutrophilen Granulozyten selbst war indes nur bei den Rauchern, nicht aber bei den E-Zigaretten-Konsumenten erhöht.

Die neutrophilen Granulozyten spielen eine wichtige Rolle bei Abwehrreaktionen. Eine langfristige Aktivierung kann zu Lungenerkrankungen führen. Tabakraucher erkranken schließlich an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Welche Folgen die Veränderungen bei E-Zigaretten-Konsumenten haben, ist nicht bekannt.

Ein weiterer Test zeigte, dass die neutrophilen Granulozyten von  E-Zigaretten-Konsu­menten vermehrt NETs („Neutrophile Extracellular Traps“) freisetzten. Es handelt sich um „Fangnetze“ aus Chromatin, die Mikroorganismen binden und dadurch unschädlich machen.

Interessanterweise wurden die NETs auch im venösen Blut vermehrt nachgewiesen. Dies könnte bedeuten, dass die Entzündungsreaktionen in andere Organe des Körpers exportiert werden. Künftige epidemiologische Studien sollten sich nach Ansicht von Kesimer untersuchen, ob E-Zigaretten-Konsumenten häufiger an systemischen Entzündungserkrankungen wie Lupus, Vaskulitis oder Psoriasis erkranken – was man ebenfalls erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten wissen wird.

Ähnlich wie bei den Rauchern waren im Sputum von E-Zigaretten-Konsumenten auch einige Biomarker für den oxidativen Stress und für die angeborene Immunabwehr erhöht. Dazu gehören beispielsweise Thioredoxin und die Matrix-Metalloproteinase-9.

Eine vermehrte Schleimproduktion, insbesondere von Mucin 5AC, die ein Kennzeichen der Lungenschädigung durch Tabakrauch sind, ließ sich im Sputum von E-Zigaretten-Konsumenten ebenfalls nachweisen. Zu den Folgen einer vermehrten Schleimproduk­tion bei Rauchern gehören eine chronische Bronchitis, Bronchiektasien und Asthma-Erkrankungen. Ob diese Folgen auch den E-Zigaretten-Konsumenten drohen, wird sich wiederum erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten zeigen.

Zigaretten und E-Zigaretten lassen sich nach Ansicht von Kesimer ebensowenig mitein­ander vergleichen wie Äpfel mit Birnen. Es gebe Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Kesimer ist jedoch nicht der Ansicht, dass E-Zigaretten als sicher betrachtet werden können, nur weil es keine akuten Gesundheitsstörungen gebe.

rme

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung