Politik

Studie: Telefonische Patientenbegleitung spart Geld

  • Donnerstag, 12. Juni 2014

Berlin – Telefonische Patientenbegleitung spart Gesundheitskosten. Das ist das Ergebnis der Evaluation eines zweijährigen Projektes, das die mhplus BKK heute in Berlin vorgestellt hat. „Ziel des Projektes war die ganzheitliche Betreuung von Versicherten mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen“, erklärte der Vorstand der Kasse, Winfried Baumgärtner, auf einer Konferenz des BKK Dachverbandes. Dafür hätten fünf Mitarbeiterinnen die Versicherten am Telefon betreut.

„Die Versicherten bekamen Unterstützung bei der Organisation und Administration ihrer Behandlungen, zum Beispiel durch eine Vermittlung von Arztterminen, bei der Auswahl von Ärzten oder der Koordination der Arzneimitteleinnahmen“, sagte Baumgärtner. „Wir haben versucht, den Versicherten einen höchstmöglichen Grad an Informationen über ihre Behandlung zu geben. Dabei haben wir keine Leistungsvermeidung gefördert, sondern wir haben versucht, die Versicherten zur Leistungsinanspruchnahme anzuhalten.“ Die behandelnden Ärzte seien nicht vertraglich in das Projekt einbezogen gewesen. „Wir wollen nicht medizinisch tätig werden. Das ist nicht unsere Aufgabe“, so Baumgärtner.

Die für das Projekt infrage gekommenen Versicherten wurden von der mhplus BKK angeschrieben und bei einem Assessment über die konkreten Behandlungsziele informiert. Dann wurde ein Betreuungsplan erstellt; das Projekt lief über zwölf Monate.  

Betreute Patienten sind mit ihrer Krankenkasse zufriedener
„Nach Projektende haben wir sowohl die teilnehmenden Patienten als auch eine Kontrollgruppe nach ihrer Gesamtzufriedenheit mit ihrer Krankenkasse befragt“, sagte der Bereichsleiter „Versorgung & Gesundheitsökonomie“ der mhplus BKK, Oliver Gapp. „Zwischen beiden Gruppen gab es deutliche Unterschiede.“ So seien aus der Kontrollgruppe 20 Prozent der Befragten mit ihrer Kasse vollkommen zufrieden gewesen – bei den Teilnehmern des Projektes seien es 36 Prozent gewesen.

Auch die zuvor vereinbarten Ziele hätten viele der Versicherten eingehalten, so Gapp: 48 Prozent hätten ihr Gesundheitsverhalten verbessert, zum Beispiel durch Sport. Und 40 Prozent hätten versucht, ihre soziale Situation zu verbessern, zum Beispiel, indem sie sich mit Freunden getroffen haben.

„Und auch die Kosten sind gefallen“, erklärte Gapp. „Die Durchschnittskosten für die Versicherten in der Kontrollgruppe lagen nach einem Jahr bei 5.000 Euro – die Durchschnittskosten für die Versicherten in der Interventionsgruppe hingegen lagen bei 4.600 Euro.“ Zudem seien weniger Versicherte, die an dem Projekt teilgenommen haben, innerhalb eines Jahres wieder in ein Krankenhaus eingewiesen worden: Waren dies 45 Prozent der Versicherten in der Kontrollgruppe, lag die Rehospitalisierungsrate bei den Projektteilnehmern bei 29 Prozent. „Das hat uns schon sehr überraschend“, betonte Gapp. „Denn eigentlich machen wir mit unserer Hilfe über das Telefon Triviales – und das führt zu solchen Effekten!“

Bosch BKK: Systemanreize so setzen, dass Ärzte etwas davon haben
Auch die Bosch BKK hat gute Erfahrungen mit einer Patientenbegleitung gemacht. Für diese Kasse arbeiten 20 sogenannte Patientenbegleiter – Pflegefachkräfte, Sozialarbeiter und Sozialversicherungsfachleute, die Zusatzqualifikationen in den Bereichen Medizin, Pflege, Betreuungs- und Sozialrecht und Kommunikation erworben haben. „Es beginnt mit einer Fallaufnahme, bei der die Patientenbegleiter versuchen, die richtigen Fälle herauszugreifen“, erklärte die Abteilungsleiterin „Versorgungsmanagement und Fallsteuerung“ der Bosch BKK, Katja Wimmer. „Bei einem Assessment wird dann geschaut, wo die Bedarfe dieser Versicherten liegen und welche Wünsche sie haben. Dabei wird auch das Umfeld der Versicherten analysiert.“ Im Anschluss werde gemeinsam ein Hilfeplan erstellt, den die Patientenbegleiter koordinierten. Am Ende werde jeder Fall evaluiert.  Ärzte sind dabei über Haus- und Facharztverträge sowie über Verträge zur Integrierten Versorgung in die Patientenbegleitung eingebunden.  

„Unser Ziel ist es, Morbiditäten und Chronifizierungen durch einen frühen Beginn der Behandlung zu vermeiden“, sagte Wimmer. „Wir sind bereit, in Gesundheit zu investieren. Wir setzen die Systemanreize so, dass Ärzte etwas davon haben, wenn sie mit uns kooperieren und wenn sie zum Beispiel Zeit in die Kommunikation mit ihren Patienten investieren.“ Sie hätten dabei erfahren, dass alle Beteiligten zufrieden seien, wenn die Patientenbegleiter auch Kontakt zu den Ärzten hätten.

„Das Versorgungsmanagement ist zuerst eine Investition“, so Wimmer. „In den ersten sechs Monaten ist es dabei noch teurer, die Patienten zu begleiten als sie nicht zu begleiten. Danach kehrt sich das Verhältnis jedoch um.“

Kontrapunkt gegen einen Wettbewerb um Beitragszehntel
„Es gibt eine Vielzahl von Projekten in Deutschland, aber wir haben keine Kultur, sie zu evaluieren und durch die Ergebnisse die Patientenversorgung in Deutschland zu verbessern“, erklärte der Vorstand des BKK Dachverbandes, Franz Knieps.  „Ich hoffe sehr, dass wir aus diesen Projekten lernen können und die Erkenntnisse dann im Kollektivvertrag allen Versicherten zugutekommen.“

Knieps betonte, dass die BKKen einen Kontrapunkt gegen einen Wettbewerb um Beitragszehntel setzten wollten: „Wir bekennen uns zu einem Wettbewerb um Qualität.“ Der Vorteil der BKKen sei dabei, dass sie flexibler und schneller seien als große Krankenkassen. Und sie trauten sich, mit Hilfe von Versorgungsforschern neue Wege zu gehen.

fos

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