Studie zu Tötungen durch Pfleger und Ärzte löst Kritik aus
Berlin – Eine neue Pilotstudie, wonach in Krankenhäusern und Pflegeheimen in Deutschland pro Jahr deutlich mehr Patienten durch die Hände von Pflegern oder Ärzten sterben als bisher angenommen, sorgt weiter für Kritik und Unsicherheit. Die Welt am Sonntag hatte berichtet, dass Wissenschaftler der Universität Herdecke um den Psychotherapeuten Karl H. Beine in der nicht repräsentativen Studie zum ersten Mal empirisch das Phänomen untersucht hätten.
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), bezeichnete die Ergebnisse – sollten sie sich als zutreffend herausstellen – in der Welt als „Skandal“ und forderte Aufklärung. „Die Verfasser der Studie müssen nun unbedingt für Klarheit sorgen, ob die Studienteilnehmer die Frage nach ,aktiven lebensbeendenden Maßnahmen' nicht tatsächlich missverstanden haben.“ Er gab zu bedenken: „Man muss aufpassen, dass nicht Abertausende Ärzte und Pflegekräfte, die in unseren Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen einen tollen Job machen, ohne eigenes Verschulden am Pranger stehen.“
Der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach sagte der Zeitung, er hoffe, dass die Zahlen zu hoch seien. Er glaube nicht an die Vermutung, dass wirtschaftlicher Druck dazu führen könne, dass Ärzte oder Pfleger Patienten töteten. „Ich warne davor, diesen Berufsstand unter Generalverdacht zu stellen.“
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wies die Tötungsvorwürfe zurück. DKG-Präsident Thomas Reumann sprach von einer unverantwortlichen und völlig unseriösen Behauptung. Zwar gebe es wirtschaftlichen Druck im Krankenhaus wie in allen sozialen Bereichen. Damit gingen Krankenhäuser, Ärzte und Pflegekräfte aber „professionell und verantwortungsvoll um“. „Die Tötungsbehauptung aufgrund wirtschaftlichen Drucks ist eine unverantwortliche Effekthascherei mit gezieltem Schlechtreden zum Verkauf des eigenen Buches auf Kosten von Pflegekräften“, so Reumann.
Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Theodor Windhorst, sprach von einer „hirnrissigen und unverantwortlichen Panikmache eines selbsternannten heilkundlichen Experten“. Die Behauptungen seien völlig aus der Luft gegriffen und nicht zu belegen, kritisiert der Kammerpräsident. „Noch sind Ärzte Helfer und Heiler und keine Monster, die die Patienten um die Ecke bringen. Alle in den Gesundheitsberufen Tätigen arbeiten aufopfernd und täglich rund um die Uhr“, sagte Windhorst.
Für die Studie hatten Beine und seine Kollegen den Angaben zufolge rund 5.000 Ärzte, Kranken- und Altenpfleger gefragt, ob sie selbst in den vergangenen zwölf Monaten lebensbeendende Maßnahmen aktiv an Patienten vorgenommen oder solche in ihrem beruflichen Umfeld beobachtet hätten. In Krankenhäusern, so Beine, hätten gut 3 Prozent der Ärzte geantwortet, sie selbst hätten dies bereits getan, ebenso 5 Prozent der Altenpfleger und 1,5 Prozent der Krankenpfleger. In den Pflegeheimen seien die Ergebnisse ähnlich gewesen.
Beine wies darauf hin, dass die Untersuchung nur ein Anfang sein könne. „Sie ist nicht repräsentativ. Ein erster Schritt, um zu zeigen, dass wir alarmiert sein und weiter forschen müssen.“ Nicht ganz eindeutig sei etwa, so die Zeitung, wie die Umfrageteilnehmer die Frage verstanden hätten. Daher könnten auch Beihilfe zum Suizid und das Abstellen von Maschinen aufgrund von Patientenverfügungen mitgezählt worden sein. Auch Beine betonte, dass es keinen Grund gebe, Ärzte und Pfleger unter Generalverdacht zu stellen.
Kritik war bereits am Sonntag vom Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, gekommen. Er warf Beine in Bezug auf sein neues Buch „Tatort Krankenhaus“ eine „billige Semantik“ vor. An der Stelle von Fakten blieben Andeutungen. „Dabei ist das Thema zu wichtig.“
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