Teilnahme am Diabetes-Selektivprogramm senkt Krankenhauseinweisungen

Hamburg – Menschen mit Diabetes, die am Selektivvertrag „Frühzeitige Diagnostik und Behandlung von Begleiterkrankungen des Diabetes mellitus“ teilnehmen, senken damit ihr Risiko für eine Krankenhauseinweisung und verbessern ihre ambulante Betreuung.
Das zeigt eine Auswertung der Technischen Universität (TU) München. Die Forschungsgruppe analysierte dafür rund 16.500 Datensätze aus den Jahren 2015 bis 2018 von Versicherten der DAK-Gesundheit.
Ziel des Vertrags ist es, Früherkennung und Behandlung diabetesbedingter Folgeerkrankungen zu verbessern, die Lebensqualität zu erhalten und schwere Komplikationen sowie mögliche Diabetesfolgen zu vermeiden.
Laut der Auswertung haben Diabetespatientinnen und -patienten, die an dem Vertrag teilnehmen, ein um zwölf Prozent geringeres Risiko für einen Krankenhausaufenthalt als solche, die nicht daran teilnehmen. Die Teilnehmer nehmen zudem regelmäßiger ambulante Arzttermine wahr: Das Wissenschaftsteam verzeichnete einen Anstieg um neun Prozent.
Zudem waren medizinisch sinnvolle Arzneimittelverschreibungen häufiger zu beobachten. Die Studie zeigt außerdem, dass das Behandlungsprogramm im Rahmen des Selektivvertrags im Durchschnitt bereits innerhalb eines Jahres kostenneutral ist.
„Unsere Auswertungen deuten darauf hin, dass das strukturierte Diagnostik- und Behandlungsprogramm im Rahmen des Selektivvertrags zu Medikationsanpassungen und einer Intensivierung der ambulanten Versorgung führt – und zugleich aus Kassenperspektive kostenneutral ist“, lautet das Fazit von Michael Laxy, Professor für Public Health und Prävention an der TU München.
Rund neun Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland sind laut Statistischem Bundesamt (Destatis) an Typ-2-Diabetes erkrankt. Viele dieser Patienten entwickeln im Laufe ihrer Patientengeschichte diabetesspezifische Komplikationen wie Neuropathie und Nephropathie.
Die Erkrankung beginnt zunehmend früher, und die medizinische Versorgung muss sich auf wachsende Herausforderungen einstellen, zeigt auch der Deutsche Gesundheitsbericht Diabetes, den die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Diabetes-Hilfe zum heutigen Weltdiabetestags veröffentlicht haben.
Nach aktuellen Schätzungen leben inzwischen rund 9,3 Millionen Menschen in Deutschland mit einem Typ-2-Diabetes. Jährlich kommen etwa 450.000 Neuerkrankungen hinzu. „Diese Entwicklung zeigt deutlich, dass Prävention und Früherkennung noch stärker in den Mittelpunkt rücken müssen“, sagte DDG-Präsidentin Julia Szendrödi. „Gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und Aufklärung sind zentrale Hebel, um diese chronische Erkrankung zu vermeiden, auszubremsen oder Folgeerkrankungen zu verhindern.“
Auch der Typ-1-Diabetes nimmt weiter zu: Inzwischen haben 340.000 Erwachsene und 35.000 Kinder und Jugendliche diese autoimmune Stoffwechselerkrankung. Als Ursache dafür wird das Zusammenspiel genetischer, immunologischer und umweltbedingter Faktoren vermutet.
Virusinfektionen, Veränderungen der Darmflora und Umweltchemikalien könnten die Autoimmunreaktion begünstigen, die zur Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen führt, heißt es im Bericht. Auch bessere Früherkennung und Screeningprogramme trügen dazu bei, dass heute mehr Fälle diagnostiziert würden.
Der Bericht zeigt zudem, dass Menschen mit Diabetes überdurchschnittlich häufig von Herz-, Nieren- und Augenerkrankungen betroffen sind. 16 Prozent aller Todesfälle in Deutschland stünden im Zusammenhang mit Diabetes. Die jährlichen Kosten für Behandlung und Folgeschäden belaufen sich laut Bericht auf rund 36 Milliarden Euro, womit Deutschland im internationalen Vergleich auf Platz 4 liege.
„Das ist nicht nur eine medizinische, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung“, sagte Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Diabetes-Hilfe. „Prävention wirkt – und sie ist der wirtschaftlichste Weg, um die Krankheitslast zu verringern.“
Die beiden Fachorganisationen weisen darauf hin, dass Fortschritte in der Medizintechnik die Lebensqualität vieler Betroffener verbesserten. Immer mehr Menschen nutzten Insulinpumpen und Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung. Parallel entwickele die Forschung neue Ansätze, um die Insulinproduktion im Körper langfristig zu erhalten oder sogar wiederherzustellen. „Diese Innovationen machen Hoffnung, dass wir Diabetes künftig besser kontrollieren oder eines Tages vielleicht sogar heilen können“, so Szendrödi.
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