Ärzteschaft

„Telemedizin muss die Mauern zwischen den Sektoren überwinden“

  • Freitag, 13. Februar 2015

Köln – Übertragung der Blutzuckermesswerte vom Gerät auf das Smartphone und von da per Datenexport zum Arzt, Auswertungen und grafische Darstellung der Blutzucker­messreihen und künftig gar die nadelfreie Messung des Zuckerspiegels: Die Techniker Krankenkasse schreibt zur Stunde rund 300.000 Versicherte mit Diabetes an, um sie zur Teilnahme an einem neuen E-Health-Angebot zu bewegen.

Uploaded: 13.02.2015 17:12:13 by mis
Erhard Siegel

Fünf Fragen an Priv. Doz. Dr. med. Erhard Siegel, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)

DÄ: E-Health für Diabetiker – ist die Zeit reif dazu?
Siegel: Die klassische Arzt-Patienten-Beziehung ist vielerorts im Umbruch. Dabei spielen auch die Versor­gungs­dichte und der Ärztemangel in manchen Regionen eine Rolle. Telemedizinische Konzepte haben durchaus das Potenzial, die Versorgung zu verbessern oder auf einem hohen Niveau zu halten. Sie können zum Beispiel Behandlungsdefizite früher sichtbar machen und gegebenenfalls die Zahl der Arztbesuche und der Spätkomplikationen senken.

DÄ: Wie müssen telemedizinische Konzepte aussehen?
Siegel: Eines unserer großen Probleme in der Versorgung sind die Mauern zwischen den Versorgungssektoren, vor allem zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor. Aber es gibt auch weiterhin Kommunikationsprobleme zwischen Haus- und Fachärzten und – nicht zu vergessen – zwischen Ärzten und der Pflege. Sinnvolle telemedizinische Projekte müssen hier ansetzen und die transsektorale Versorgung verbessern. Alles andere ist Flickschusterei – hier eine Webseite, da eine App und so fort, das bringt uns nicht wirklich voran.

DÄ: Dem steht oft der Datenschutz entgegen…
Siegel: Der Datenschutz ist sehr wichtig, aber er steht sektorenübergreifenden teleme­dizinischen Versorgungsprojekten nicht grundsätzlich entgegen. Das Problem ist vielmehr fehlender Wille auf der Seite der Kostenträger. Die Politik hat mit dem Paragrafen 140 im fünften Sozialgesetzbuch ja die Möglichkeit für innovative integrierte Versorgungsformen geschaffen. Aber der Wille zur Umsetzung und Finanzierung ist oft nicht vorhanden. Vorhandene Konzepte gibt es dazu in vielen Bereichen. In der Diabe­tologie haben die relevanten Gesellschaften und Verbände dazu die „Versorgungs­landschaft Diabetes“ entwickelt, die genau diese nötige transsektorale Versorgung umreißt.

DÄ: Zu den technischen Innovationen: Wie steht die DDG zur nadellosen Blutzuckermessung?
Siegel: Grundsätzlich ist das ein Quantensprung für die Lebensqualität der Patienten. Aber einige technische und edukative Fragen sind noch offen. Zunächst die Technik: Die nadellose Messung erfasst die Glukose nicht im Blut, sondern im Interzellularraum. Gerade bei starken Blutzuckerschwankungen reagiert diese eventuell nicht rasch genug. Wir müssen hier Studien abwarten, die noch nicht vorliegen, um das besser einzu­­schätzen.

DÄ: …und die edukativen Aspekte?
Siegel: Die nadellose Messung liefert Werte am laufenden Band. Es ist sehr wichtig, hier Schwankungen und Verläufe richtig zu interpretieren und darauf zu reagieren. Das ist für medizinische Laien oft sehr verwirrend und zum Teil beängstigend. Die Patienten müssen ärztlich geschult werden, um mit dem Gerät richtig umzugehen, die Werte richtig zu beurteilen und daraus die richtigen Entscheidungen abzuleiten. Auch deshalb ist es wichtig, dass Ärzte die Indikation für den Einsatz eines solchen Gerätes beim Patienten stellen und ihn oder sie erst damit ziehen lassen, wenn sie sicher sind, dass der Patient das Gerät und seine Messungen richtig einschätzen kann. Das zu beurteilen ist eine ärztliche Kernkompetenz.

hil

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung