Testosteron hemmt aggressives Verhalten bei Frauen
Lübeck – Die verbreitete Annahme, Testosteron führe zu aggressiverem Verhalten, ist so nicht haltbar. Das zeigen Untersuchungen der Klinik für Neurologie und der Medizinischen Klinik I der Universität zu Lübeck und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck. Die Arbeit ist in der Zeitschrift Scientific Reports erschienen (2016; doi: 10.1038/srep38538).
Der Zusammenhang zwischen Aggression und Gewalt wird damit begründet, dass Männer einen höheren Testosteronspiegel hätten und im Durchschnitt mehr körperliche Aggression zeigten als Frauen. „Wissenschaftliche Belege für diesen Zusammenhang sind jedoch weniger klar, und wenig ist bekannt über die Rolle von Testosteron bei aggressivem Verhalten von Frauen“, hieß es aus der Lübecker Arbeitsgruppe.
Die Wissenschaftler untersuchten die Fragestellung, wie der Testosteronspiegel von Frauen mit der Hirnaktivität auf Bedrohungssignale in einer direkten, aggressiven Interaktion zusammenhängt. Die Hirnaktivität wurde mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) gemessen. Testosteron wurde aus Speichelproben mithilfe einer neuen, besonders sensitiven Methode bestimmt.
Eine Herausforderung war, während der Untersuchung eine möglichst realistische aggressive Interaktion zu simulieren, während Versuchspersonen im MR-Tomographen liegen. Die Gruppe von Ulrike Krämer, Letztautorin auf dem Artikel, erreichte das mittels eines Reaktionszeitwettspiel zwischen zwei Personen. Dabei schaut die Gegnerin zu Beginn jedes Durchgangs die Versuchsperson entweder ärgerlich oder neutral an und teilt Strafen in Form von zunehmend lauteren aversiven Geräuschen aus. Auf diese Weise wird die Versuchsperson erfolgreich provoziert.
Die Ergebnisse zeigen, dass Probandinnen mit stärkerer Amygdala-Aktivität bei der Wahrnehmung des ärgerlichen Gesichtsausdrucks gegenüber der Gegnerin aggressiver wurden. Die Hirnregion Amygdala ist an dem Erleben von Emotionen beteiligt und wurde in früheren Studien bereits mit Aggression in Verbindung gebracht. Frauen mit höherem Testosteronspiegel verhielten sich insgesamt weniger aggressiv gegenüber der Gegnerin und wiesen eine geringere Aktivität der Amygdala bei dem ärgerlichen Gesichtsausdrucks der anderen Person auf.
Macià Buades-Rotger, Doktorand an der Lübecker Klinik für Neurologie und Erstautor der Studie erläuterte, dass die Ergebnisse angesichts der verbreiteten Annahme, dass Testosteron Aggression begünstigt, auf den ersten Blick überraschend sein mögen.
Allerdings stimmten die Ergebnisse mit anderen Studien darin überein, dass Testosteron bei Frauen einen prosozialen Effekt haben könne, also Hilfsverhalten und Altruismus begünstige. „Diese Forschung zeigt, wie Hormone die neurale Verarbeitung sozio-emotionaler Signale und damit soziales Verhalten beeinflussen“, hieß es aus der Arbeitsgruppe.
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