„Tomatenpille“ soll Gefäßfunktion verbessern

Cambridge – Die tägliche Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels mit Lycopen, das Tomaten die rote Farbe verleiht, hat in einer placebokontrollierten Studie in PLOS One (2014; doi: 10.1371/journal.pone.0099070) bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen die endotheliale Dysfunktion verbessert. Bei Gesunden war kein Effekt erkennbar.
Lycopen ist außer in Tomaten auch in Wassermelonen und Hagebutten enthalten. Es soll eine zehnmal stärkere antioxidative Wirkung haben als Vitamin D, und der häufige Verzehr in südlichen Ländern gilt als ein Grund für die günstige Auswirkung der mediterranen Kost auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Dies veranlasste eine Gruppe von Wissenschaftlern der Universität Cambridge zur Entwicklung eines Nahrungsergänzungsmittels, das sie in Italien produzieren und über eine eigene Firma seit 2009 vertreiben. Für die Vermarktung von Nahrungsergänzungsmitteln sind keine Wirkungsbelege durch klinische Studien notwendig, für die der Spin-Out-Firma „Cambridge Theranostics Ltd“ (inzwischen „CamNutra Ltd“) ohnehin das Geld gefehlt haben dürfte.
Bislang gab es nur Daten aus in vitro-Experimenten, die auf eine anti-atherogene Wirkung hindeuten. Die erste klinische Studie wurde jetzt von einer Forschergruppe durchgeführt, die zwar Interessenskonflikte zum Hersteller angibt, die Studie aber von unabhängigen Sponsoren wie dem Wellcome Trust, der British Heart Foundation und dem National Institute of Health Research finanzieren ließ.
Insgesamt 36 Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Vorgeschichte sowie 36 gesunde Probanden nahmen über zwei Monate täglich eine Kapsel mit 7 mg Lycopen oder Placebo ein. Danach führte das Team um Joseph Cheriyan von der Universitätsklinik Cambridge eine Reihe von Tests zur Gefäßfunktion durch.
Mittels Venenverschlussplethysmographie wurde die Dilatation der Armarterien gemessen nach Injektion unterschiedlicher Mittel, die die Arterien erweitern. Acetylcholin misst dabei die endothelabhängige Vasodilatation, Natrium-Nitroprussid die nicht-endothelabhängige Vasodilatation und N-Methylarginin die Aktivität der Stickstoffmonoxid (NO)-Synthase.
Wie Cheriyan jetzt berichtet, beeinflusste Lycopen lediglich die endothelabhängige Vasodilatation. Ein günstiger Effekt war außerdem nur für die Patienten mit bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen erkennbar. Die beiden anderen Tests zeigten keine Wirkung, und auch Blutdruck, Pulswellengeschwindigkeit (als Maß für die „Steifigkeit" der Arterie) waren unverändert. Lycopen hatte auch keinen Einfluss auf die Blutlipide (alle Herzkreislaufpatienten nahmen allerdings Statine ein) und das C-reaktive Protein (das aber vor Beginn der Therapie bereits niedrig war).
Dennoch fällt das Fazit von Cheriyan positiv aus. Eine Normalisierung der endothelialen Dysfunktion sei ein zuverlässiger Parameter für die Besserung der Gefäßfunktion. Auch Statine, Beta-Blocker und ACE-Inhibitoren hätten hier ähnliche Effekte gezeigt. Die fehlende Wirkung bei gesunden Probanden deutet allerdings an, dass eine protektive Wirkung am ehesten für Menschen mit vorbestehender Erkrankung zu erwarten sei.
Anders als zu Statinen, Beta-Blockern und ACE-Inhibitoren fehlen für Lycopen allerdings jegliche Daten zu klinisch überzeugenden Endpunkten wie die Vermeidung von Herzinfarkten, Schlaganfällen oder peripheren Gefäßverschlüssen. Da Nahrungsergänzungsmittel sich auch ohne diesen Nachweis gut verkaufen lassen, dürften sich die Kosten für derartige Studien für die Hersteller kaum rentieren. Die medizinische Evidenz dürfte deshalb offen bleiben.
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