Medizin

Übergabe-Protokoll verbessert Patientensicherheit in Studie

  • Freitag, 7. November 2014
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Boston – Ein strukturiertes Protokoll, das feste Grundsätze für die mündliche und schriftliche Übergabe von Patienten im Schichtbetrieb des Krankenhauses festlegt, hat in einer prospektiven Studie an neun US-Kinderkliniken die Häufigkeit von Behandlungs­fehlern deutlich gesenkt, wie die Entwickler des Programms im New England Journal of Medicine (2014; 371: 1803-1812) berichten.

Die meisten Behandlungsfehler im Krankenhaus sind Folge einer unzureichenden Kommunikation. Besonders bei der Übergabe der Patienten beim Dienstwechsel gehen leicht Informationen verloren, was für die Patienten schnell negative Folgen haben kann. Ein Team um Christopher Landrigan vom Boston Children's Hospital hat ein Konzept entwickelt, dass die Übergabe verbessern soll.

Im Zentrum stehen feste Regeln, die mit der Merkhilfe „I-PASS“ zusammengefasst werden. Sie umfassen Informationen zur Krankheitsschwere (I), zum Patienten (P) und eine Liste vorgesehener Aktionen (A). Das erste S steht für „Situational awareness and contingency planning“, also Situationsbewusstsein und den weiteren Behandlungsplan. Das zweite S fordert am Ende der Übergabe eine Synthese durch den Empfänger.

Sie soll sicherstellen, dass die Information angekommen ist. Die Übergabe erfolgt dabei nicht nur mündlich, sondern für jeden Patienten auch in den elektronischen Kranken­akten oder in einem Textverarbeitungsprogramm. Für die Einführung haben die Autoren eine spezielle Schulung entwickelt, später gibt es Supervisionen. „I-PASS“ wurde auf den typischen Arbeitsablauf in den Krankenstationen angepasst und sollte laut Landrigan nicht zu einem Zeitverlust oder zusätzlicher Schreibarbeit führen.

Die Einführung von I-PASS an neun namhaften Kliniken in den USA und Kanada wurde von einer wissenschaftlichen Studie begleitet. Dabei wurden medizinische Irrtümer und die damit verbundenen schädlichen Auswirkungen auf die Patienten in den sechs Monaten vor und nach der Einführung von I-PASS dokumentiert. In beiden Endpunkten kam es zu signifikanten Verbesserungen, wie die Auswertung von insgesamt 10.740 Patientendaten zeigte: Die Gesamtrate der medizinischen Fehler verringerte sich um 23 Prozent von 24,5 auf 18,8 Fehler pro 100 aufgenommenen Patienten. Bei den vermeid­baren unerwünschten Ereignissen (Verletzungen durch medizinische Fehler) kam es sogar zu einem Rückgang um 30 Prozent von 4,7 auf 3,3 Fehler pro 100 behandelter Patienten.

In einer „Time-Motion“-Analyse begleiteten Forschungsassistenten die Ärzte über einen Zeitraum von 8.128 Stunden. Sie protokollierten dabei, wie viel Zeit die Ärzte am Computer verbrachten, wie lange die Übergaben dauerten oder wie lange der Arzt sich um die Patienten kümmerte. Dabei wurden laut Landrigan keine negativen Auswirkungen der strukturierten Übergaben dokumentiert. Der Zeitaufwand für die Übergabe wurde durch I-PASS nicht verlängert, sie dauerte im Durchschnitt 2,5 Minuten pro Patient. Doch der Anteil der Ärzte, die die Qualität der Übergabe als gut bis exzellent bewerteten, stieg von 27,8 auf 72,2 Prozent.

Die Autoren stellen das I-PASS-Bündel im Internet zur Verfügung. Auch wenn es in erster Linie für die stationäre pädiatrische Versorgung entwickelt wurde, seien die Grundsätze doch auch für andere Fachbereiche anwendbar, meint Landrigan.

rme

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