Übersicht zu den Prädiktoren bei Weaningversagen

Witten – Forschende haben 145 Indikatoren analysiert, die dabei helfen sollen, Patienten mit einem höheren Risiko für eine komplizierte Beatmungsentwöhnung, zu erkennen. Nur wenige davon haben eine robuste Evidenz. In einer aktuellen Meta-Analyse fassen Forschende Patientencharakteristika zusammen, die mit einem Weaningversagen einhergehen können (Critical Care; DOI: 10.1186/s13054-024-05135-3).
Die Arbeit biete eine wertvolle Grundlage für die Verbesserung der Patientinnen- und Patientensicherheit auf Intensivstationen, sagte Erstautor Fritz Sterr, Doktorand am Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke (UW/H). Jeden Tag müssten Pflegende und Medizinerinnen und Mediziner anhand von Patientendaten und Untersuchungen darüber entscheiden, ob sie die künstliche Beatmung fortführen oder ob eine Entwöhnung möglich sei. Bei dieser kritischen Abwägung wären Prädiktoren zu den Risikofaktoren, die mit einer großen Evidenzdichte valide herangezogen werden können, besonders wünschenswert, so Sterr.
In dieser Übersichtsarbeit wurden die Ergebnisse aus 140 Studien berücksichtigt, die jeweils Prädiktoren für Weaningversagen bei erwachsenen Patienten untersuchten. Die wissenschaftlich untersuchten Prädiktoren bezifferten sich auf insgesamt 145, die in 4 Säulen gegliedert wurden.
Sie ließen sich entweder in „bildgebende Verfahren“ (n = 22), „physiologische Parameter“ (n = 61), „Scores und Indizes“ (n = 53) und „Maschinelle Lernmodelle“ (n = 9) einteilen. Darunter erschienen Modelle des maschinellen Lernens, die eine Vielzahl von Faktoren geschlossen auswerten, als besonders vielversprechend, heben die Autoren hervor.
Obwohl eine große Anzahl von Prädiktoren untersucht wurden, schienen nur wenige von ihnen robust und zuverlässig zu sein. Um die Patientensicherheit zu gewährleisten, sollten sich Behandler daher auf die wenigen verlassen, die durch eine breitere Evidenzbasis gestützt werden, empfehlen die Autoren. Um abzuschätzen, wie gut die Spontanatmung eines Patienten ist, der nach einer Zeit der maschinellen Beatmung vom Beatmungsgerät entwöhnt werden soll (Weaning), können verschiedene Bewertungsschemata in Kombination hilfreich sein.
Die stärkste Evidenz wurde für den Frequenz-Volumen-Atemindex (Rapid shallow breathing index, RSBI), Diaphragm Thickening fraction (DTF), die Atemfrequenz (respiratory rate, RR), den Horovitz-Quotient (das Verhältnis des arteriellen Sauerstoffpartialdrucks (paO2) zur inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (FiO2); paO2/Fio2, P/F Ratio), die Exkursion des Zwergfells (diaphragm excursion), den maximalen Inspirationsdruck (maximal inspiratory pressure, MIP), das Atemzugvolumen (tidal volume, Vt) und den Glasgow Coma Scale (GCS) ausgemacht.
Da die Mehrheit anderer Prädiktoren bisher nur in Pilotstudien getestet wurde, wäre ihr prädiktive Bedeutung noch unklar. Weitere und größere prospektiven Studien müssten ihren Nutzen erst noch bestätigen.
In der klinischen Praxis sollten geeignete Kandidaten für eine Entwöhnung vom Beatmungsgerät stets auf mehrere Prädiktoren hin geprüft werden, empfehlen die Autoren. „Genauso wie in allen anderen Bereichen der Medizin und Pflege reicht es auch beim Weaning nicht aus, einzelne Faktoren wie Herz- und Atemfrequenz, Druckvolumen oder den Zustand der Atemhilfsmuskulatur losgelöst voneinander zu betrachten. Die Zusammenschau ist entscheidend“, so der Rat des Pflegewissenschaftlers Sterr.
Die Sterblichkeitsrate von künstlich beatmeten Patienten liegt in Deutschland bei 40 bis 50 %. Die Entwöhnung von Beatmungsgeräten ist eine kritische Phase für Intensivpatienten. Oftmals gelingt die Entwöhnung nicht bei allen Patienten sofort, so kann beispielsweise ihre Spontanatmung unzureichend sein, was eine Reintubation zur Folge hat. Bestenfalls kann eine Reintubation verhindert werden, wenn Erkrankte mit hohem Risiko für Weaning-Versagen frühzeitig erkannt werden.
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