Überstunden als kardiales Risiko
London – „Harte Arbeit hat noch niemandem geschadet“, lautet ein Sprichwort. Von wegen. Nach einer Analyse der Whitehall-II-Studie im den Annals of Internal Medicine (2011; 154: 457-463) sind Überstunden mit einem erhöhten Herzinfarktrisiko assoziiert. Die Autoren regen an, die täglichen Arbeitsstunden in die Risiko-Scores zum Infarktrisiko aufzunehmen.
Die Whitehall-I-Studie hatte herausgefunden, dass britische Staatsangestellte der unteren Lohngruppen früher sterben. Eine häufige Todesursache waren Herzinfarkte, die doppelt so häufig auftraten wie bei den besser verdienenden Beamten. Die Whitehall-II-Studie sucht seit 1967 nach den Ursachen für die Unterschiede.
Frühere Auswertungen hatten bereits herausgefunden, dass eine ungesündere Lebensweise der einfachen Angestellten einen Teil der Übersterblichkeit erklärt. In den unteren Lohngruppen sind Rauchen, Übergewicht oder Hypertonie stärker verbreitet.
Es gab aber auch Studien, die das Risiko mit längeren Arbeitszeiten in Verbindung brachten. Im letzten Jahr hatte es hierzu eine Publikation im European Heart Journal (2010; 31: 1737-44) gegeben. Drei bis vier Überstunden am Tag waren dort mit einem um 60 Prozent erhöhten Risiko auf koronare Ereignisse assoziiert.
Die Autorin Marianna Virtanen hatte dies mit kürzeren Erholungszeiten, einer Typ A-Persönlichkeit ehrgeiziger Angestellter („immer unter Strom“) und dem „sickness presenteeism“ ängstlicher Mitarbeiter in Verbindung gebracht, die aus Sorge vor einer Entlassung trotz Krankheit am Arbeitsplatz erscheinen. Ihr Kollege Mika Kivimäki kommt jetzt zu dem gleichen Ergebnis: Elf Arbeitsstunden am Tag waren mit einem um 67 Prozent erhöhten Risiko auf eine koronare Herzkrankheit assoziiert.
Kivimäki hat den Risikofaktor Überstunden in den Framingham-Score einfließen lassen. Der Score wird benutzt, um das 10-Jahres-Risiko für einen Herzinfarkt vorherzusagen. Die Berücksichtigung des Faktors Überstunden verbesserte die Genauigkeit um nicht weniger als 5 Prozent.
Nach Berechnungen des Medical Research Council, das die Studie gesponsert hat, könnten durch das Streichen von Überstunden in Großbritannien etwa 6.000 von jährlich 125.000 Herzinfarkten vermieden werden.
Diese Aussage steht allerdings auf einer unsicheren Evidenz, da prospektive Beobachtungsstudien nicht ausschließen können, dass unerkannte Faktoren das Risiko erklären. Es erscheint aber unwahrscheinlich, dass diese Frage zum Gegenstand einer randomisierten Studie gemacht wird.
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