UN-Klimagipfel: Ausgleichsfonds soll Folgen des Klimawandels abfedern

Scharm el-Scheich – Auf einen gemeinsamen Geldtopf zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern einigte sich nach jahrzehntelangen Debatten die Klimakonferenz. Der neue Ausgleichsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung abfedern – etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme, aber auch steigende Meeresspiegel und Wüstenbildung.
Bei der Senkung klimaschädlicher Treibhausgase dagegen kamen die etwa 200 Staaten nicht voran, bekräftigt wurden in Scharm el Scheich nur alte Beschlüsse. Enttäuscht darüber äußerten sich gestern nicht nur Umweltorganisationen, sondern auch die EU-Kommission und die Bundesregierung.
Von dem Ausgleichsfonds sollen insbesondere Entwicklungsländer, die besonders gefährdet sind, begünstigt werden. Die Entwicklungsorganisation Care sprach von einem „historischen Schritt“, bemängelte aber, das wesentliche Fragen erst 2023 ausgearbeitet werden. So werden keine Summen genannt.
Und ungeklärt ist auch, wer einzahlen muss. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) schrieb: „Dazu gehören vor allem die größten Emittenten USA, China und natürlich auch die EU.“
100 Milliarden Dollar für Klimaschutz und Klimaanpassung – so viel sollten die Industriestaaten eigentlich seit 2020 jährlich verbindlich an arme Länder zahlen. Bis heute sind sie das Geld zu einem großen Teil schuldig geblieben. In der Abschlusserklärung fehlt aber ein klarer Plan, ob und bis wann nachgezahlt werden muss. Der Unterschied zum neuen Fonds: Die 100 Milliarden fließen zur noch möglichen Anpassung, der Fonds soll für eingetretene Schäden entschädigen.
Die Staaten bekräftigten im Rahmen der Klimakonferenz ihre im Vorjahr in Glasgow getroffene Entscheidung, schrittweise aus der Kohle auszusteigen. Ein Abschied von Öl und Gas wird aber nicht erwähnt – was etliche Staaten gefordert hatten, darunter Indien, die EU und auch die USA. Aber einige wenige Staaten leisteten „erbitterten Widerstand“, wie Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) berichtete. Das sei „mehr als frustrierend“.
Nicht aufgegriffen wurde auch die Forderung der EU, dass vor 2025 der Höchststand der Treibhausgasemissionen weltweit erreicht sein muss. Der deutsche Greenpeace-Chef Martin Kaiser nannte es einen Skandal, dass die ägyptische Konferenzleitung Öl-Staaten wie Saudi-Arabien Raum geboten habe, „jeden wirksamen Klimaschutz zu torpedieren“. Oxfam-Experte Jan Kowalzig sprach von einem „deprimierenden Ergebnis“.
Erstmals findet sich aber die Forderung nach einem Ausbau der Erneuerbaren Energien im Abschlussdokument einer Klimakonferenz. Weil aber bei dem künftigen Mix auch von „emissionsarmen“ Energieträgern die Rede ist, fürchtet der EU-Parlamentarier Michael Bloss (Grüne), dies könne als „Einfallstor für Atomkraft und Gas“ missbraucht werden.
Im finalen Papier werden die Staaten außerdem aufgefordert, ihre größtenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens zur nächsten Klimakonferenz nachzubessern. Diese findet Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt. Die Nachbesserungen bleiben freiwillig, eine Verpflichtung gibt es nicht.
2015 hatte die Weltgemeinschaft in Paris vereinbart, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Welt hat sich nun schon um gut 1,1 Grad erwärmt, Deutschland noch stärker. Ein Überschreiten der 1,5-Grad-Marke erhöht nach Warnungen der Wissenschaft deutlich das Risiko, sogenannte Kippelemente im Klimasystem und damit unkontrollierbare Kettenreaktionen auszulösen.
Nach Einschätzung des Forschers Ottmar Edenhofer brachte die Klimakonferenz in Ägypten insgesamt nur mäßige Ergebnisse. „In Scharm el-Scheich wurde ein Scheitern verhindert. Es war kein Durchbruch, und es war ein nur sehr, sehr mäßiger Erfolg für das Klima“, sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung gestern abend im ZDF-„heute journal“.
Er appellierte, den Fokus nicht zu sehr auf Klimakonferenzen zu legen. „Wir sollten uns mit der Zeit dazwischen befassen, und wir sollten jetzt anerkennen, dass wir nicht nur eine Ambitionslücke haben, sondern dass wir eine klaffende Implementierungslücke haben. Und das muss jetzt angepackt werden.“
Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) betonte: „Ein weiterer Durchbruch wie auf der COP 2015 in Paris war natürlich nicht zu erwarten, ist die Welt doch noch damit beschäftigt, die ambitionierten Ziele von damals in ihren nationalen Strategien zur Emissionsreduktion umzusetzen. “ Auch sie warnte, die Umsetzung hake massiv. Es habe auch 2022 keine Anzeichen für einen Rückgang der weltweiten CO2-Emissionen gegeben.
Eine Allianz der größten Verursacher von Treibhausgasen sei möglicherweise effizienter, als mit so vielen Ländern wie möglich um Einigungen zu ringen, sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström, nach dem Ende des Gipfels. Rockström beklagte zudem, dass die Wissenschaft eine „viel zu schwache Stimme“ in den Verhandlungen habe.
„Bei dem, was auf dem Spiel steht, sind die Ergebnisse des Gipfels einfach nicht gut genug“, bilanzierte der Forscher. Deutschland und die EU müssten nun versuchen, mit den USA und China zusammenzuarbeiten, um Fortschritte zu erzielen.
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