UN-Klimakonferenz: Deutsche Ziele, WHO will Gesundheit ins Zentrum stellen

Berlin – Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will die Gesundheit der Weltbevölkerung ins Zentrum der Weltklimakonferenz COP28 ab Donnerstag in Dubai rücken. Das kündigte sie in Genf an. Deutschland will seine Klimaschutzverpflichtungen trotz der Haushaltsprobleme im eigenen Land erfüllen, hieß es heute von der Bundesregierung.
„Die Verhandler müssen dringend verstehen, dass der Klimawandel eine direkte Bedrohung für die globale Gesundheit ist und nicht länger ignoriert oder heruntergespielt werden kann“, erklärte die WHO. Sie rief die mehr als 190 Länder auf, bei der Konferenz alles zu tun, damit die Erwärmung unter 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau bleibt.
Auf Hitze zurückzuführende Todesfälle bei Menschen über 65 Jahren seien in den vergangenen 20 Jahren um 70 Prozent gestiegen, berichtete die WHO. Sie verwies auf Berichte des Weltklimarates, dass fast die Hälfte der Weltbevölkerung - rund 3,5 Milliarden Menschen - in Regionen leben, die vom Klimawandel stark betroffen sein dürften.
Extremwetterereignisse wie Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen belasteten Gesundheitssysteme enorm. Die WHO verwies darauf, dass bei Katastrophen mit hunderttausenden Vertriebenen die Gefahr von Krankheitsausbrüchen steigt: Oft werden Trinkwasserquellen zerstört oder beeinträchtigt. Hygiene wird schwierig. Impfprogramme werden unterbrochen. Gleichzeitig breiten sich bei wachsender Hitze Krankheitsüberträger wie bestimmte Mücken in größeren Regionen aus.
Zudem können Krankenhäuser und Kliniken bei Überschwemmungen oder anderen Wetterkatastrophen in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Gesundheitssektor in vielen besonders betroffenen Ländern brauche mehr Geld, um besser auf künftige Herausforderungen vorbereitet zu sein, so die WHO. Dazu gehöre die Ausstattung etwa mit Solarmodulen zur Stromversorgung.
Nach Angaben der WHO werden so viele Gesundheitsminister wie nie zuvor an einer Weltklimakonferenz teilnehmen. Dem Thema Gesundheit ist dort erstmals ein Schwerpunkt gewidmet.
Aus Sicht von Ärzte ohne Grenzen wird zu wenig getan, um besonders gefährdete Menschen vor den negativen Auswirkungen der Klimakrise zu schützen. „Ausgerechnet Menschen, die bereits unter schwierigen Bedingungen leben, müssen die Folgen des Klimawandels ausbaden“, sagt der Internationale Präsident von Ärzte ohne Grenzen, Christos Christou.
„Es ist tragisch und absurd, dass diejenigen, die am allerwenigsten für die klimaschädlichen Emissionen verantwortlich sind, besonders schwer getroffen werden. Wir sehen uns nicht nur mit einem Klimanotstand konfrontiert, sondern auch mit einer Krise in Bezug auf Menschlichkeit und Solidarität.“
Die Klimakrise ist für Ärzte ohne Grenzen ein gesundheitlicher und humanitärer Notstand. „Wir dürfen nicht noch einmal scheitern. Das können wir uns nicht leisten”, sagt Christou. „Wie viele Jahre sollen noch vergehen? Wie viele COPs wollen wir noch abhalten? Und wie viele Menschenleben werden betroffen sein – oder verloren gehen – bevor konkrete Maßnahmen beschlossen und umgesetzt werden?“
Die Bundesregierung will sich unterdessen auch nach dem Karlsruher Haushaltsurteil weiter für den globalen Klimaschutz einsetzen – und zugesagten Zahlungen nachkommen. „Wir stehen zu unseren internationalen Verpflichtungen“, sagte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) heute in Berlin. Die Ministerin betonte zugleich, durch die Haushaltsdebatte nicht geschwächt in die UN-Klimakonferenz zu gehen.
Die Bundesrepublik habe sechs Milliarden Euro jährlich für den internationalen Klimaschutz zugesagt, 1,5 Milliarden davon für den Schutz der Biodiversität, sagte die Grünen-Politikerin. Von diesen Verpflichtungen werde die Regierung nicht zurücktreten können.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Aufstockung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) mit ungenutzten Krediten aus der Coronapandemie Mitte November für unzulässig erklärt. Damit fehlen der Ampel-Koalition nun 60 Milliarden Euro für Projekte der Energiewende. Wie ihr Ressort durch das Urteil betroffen ist, konnte Lemke nicht genau beziffern.
„Betroffen ist unser Land, unsere Bevölkerung, unsere Wirtschaft“, betonte die Ministerin. Sie gab zugleich an, als Umweltministerin nicht geschwächt zur Klimakonferenz zu reisen. Die Bundesregierung sei mit einem „sehr, sehr starken Team vor Ort“, mit zahlreichen Ministerinnen und Ministern.
Zudem werde Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilnehmen. Das Karlsruher Urteil dürfe dabei die Verhandlungen „nicht negativ tangieren“, forderte die Ministerin in Berlin bei der Vorstellung des dritten Klima-Monitoringberichts der Bundesregierung.
Diesem zufolge verschärfen sich die Folgen der globalen Erderwärmung für Deutschland: Unter anderem kommt es zu regelmäßigen Hitzewellen, wärmeren Temperaturen und deutlichem Wassermangel. Damit verbunden sind Ernteeinbußen in der Landwirtschaft, stärkere Belastungen der Wälder und Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen. Lemke sprach von einem „erschreckenden Ausmaß“ von Folgen. „Die Klimakrise zwingt uns zum Handeln.“
Auf ein stärkeres Engagement der Bundesregierung im Kampf gegen die Erderwärmung drängen zahlreiche Verbände und Organisationen. Die deutsche Regierung müsse als Vorbild vorrangehen, mahnte die Hilfsorganisation Care. Sie dürfe die aktuelle Haushaltsdebatte nicht zum Anlass nehmen, sich ihrer Verantwortung zu entziehen.
Auf der letzten Weltklimakonferenz im vergangenen Jahr in Ägypten wurde ein globaler Fond zum Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten angekündigt. Dieser müsse schnellstmöglich in die Tat umgesetzt werden, forderte Care. Die Klima-Allianz Deutschland mit 150 Mitgliedsorganisationen und der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (Venro) erhoben ähnliche Forderungen.
Zur diesjährigen Weltklimakonferenz wird eine Rekordzahl von rund 70.000 Teilnehmern erwartet – darunter Delegationsmitglieder, Aktivisten, Lobbyisten, Unternehmensvertreter und Journalisten.
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