UN-Menschenrechtler fordern mehr Einsatz gegen Lepra

Genf – Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf prangert Diskriminierung und fehlende medizinische Versorgung von Leprakranken an. Werde die Krankheit früh genug erkannt, sei sie gut heilbar. Andernfalls drohten Behinderungen und chronische Schmerzen, erklärte die neu ernannte Lepra-Beauftragte des Menschenrechtsbüros, Alice Cruz, gestern. Allein 2016 seien 214.783 neue Fälle registriert worden, von denen 12.437 zu einer ernsthaften Behinderung geführt hätten. Cruz bezeichnete die Auswirkungen als „alarmierend und komplett unnötig“.
Die am stärksten von Lepra betroffenen Länder sind Indien, Brasilien und Indonesien. Darüber hinaus ermittelte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 22 weitere Länder, in denen mehr gegen die Krankheit getan werden müsse. Dazu zählen unter anderem Bangladesch, die Demokratische Republik Kongo, Äthiopien, Madagaskar, Mosambik, Myanmar, Nepal, Nigeria und die Philippinen. In diesen Ländern müsse sich der Zugang zu medizinischer Versorgung dringend verbessern, forderte Cruz.
Doppelter Fluch
Weiter beklagte sie eine häufige Ausgrenzung und Diskriminierung von Opfern der hochinfektiösen Krankheit. Dieser Teufelskreis müsse mithilfe besserer Information und Erziehung durchbrochen werden, um die Menschenrechte von Betroffenen zu schützen.
Lepra ist eine der ältesten bekannten Krankheiten. Infizierte wurden seit Jahrhunderten ausgegrenzt, in Leprakolonien oder Hospizen fernab der nächsten Stadt. Die Krankheit ist immer noch mit großem Stigma verbunden. Es ist ein doppelter Fluch. Neben den Folgen der Krankheit droht den Betroffenen auch soziale Isolation: Sie werden gemieden, geschnitten und häufig von den Familien verstoßen. Doch inzwischen gibt es dafür keinen Grund mehr: Die Krankheit überträgt sich nur sehr langsam, und wer behandelt wird, ist nicht mehr ansteckend.
In Indien etwa – wo es jährlich rund 120.000 Neuerkrankungen gibt – glaubten vielen Menschen immer noch an alte Mythen oder hielten Lepra für einen Fluch, erklärt Nikita Sarah, Sprecherin der Hilfsorganisation The Leprosy Mission. Es habe zuletzt aber Fortschritte gegeben. So müssten Kranke und Geheilte, die aus ihren Dörfern vertrieben würden, nicht mehr in eine der rund 750 Leprakolonien des Landes ziehen, sondern könnten sich anderswo in die Gesellschaft integrieren, sagt Sarah. Es gebe zudem Bemühungen, die mehr als 100 diskriminierenden Gesetze gegen Leprakranke aufzuheben.
Lepra ist der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge eine der vernachlässigten Tropenkrankheiten. Die WHO hat sich ambitionierte Ziele gesetzt, die Krankheit einzudämmen. Doch dafür fehlen meist die Mittel. So auch in Madagaskar, das mit seinen 25 Millionen Einwohnern zu den ärmsten Ländern der Welt gehört. „Es gibt praktisch keine öffentlichen Mittel für die Lepra-Bekämpfung“, sagte Bertrand Cauchoix, ein Experte der Raoul-Follereau-Stiftung. Auch eine Impfung sei nicht absehbar. „Kein Pharmaunternehmen will in einen Impfstoff investieren, der im Westen nicht verkauft werden kann.“ Inzwischen gibt es immerhin erste klinische Studien.
Hohe Dunkelziffer
Im Kampf gegen die Lepra, deren Inkubationszeit bis zu 20 Jahre betragen kann, muss noch vieles erforscht werden. So ist etwa der Übertragungsweg der Krankheit immer noch nicht sicher geklärt. Lange sei die Berührung von Erkrankten als Übertragungsweg angesehen worden, inzwischen gehe man zunehmend von einer Tröpfcheninfektion aus, wie bei einer Grippe, erklärt die WHO.
Die Gesamtzahl der Infektionen war zuletzt sogar leicht gestiegen, von 212.000 im Jahr 2015 auf fast 215.000 im Folgejahr. Es sei zudem von einer noch höheren Dunkelziffer auszugehen, weil viele Fälle wegen des Stigmas nie gemeldet würden, erklärt Harald Meyer-Porzky, Geschäftsführer des Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfswerks (DAHW). Problematisch sei, dass manche betroffenen Länder die Krankheit zu früh für besiegt erklärten. Dann würden neue Fälle nicht mehr behandelt, warnt der Experte, „und dann steigen die Zahlen der Neuerkrankungen wieder an“.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: