UN plant, Nothilfe auf eine Milliarde Dollar zu verdoppeln

Berlin/Istanbul – Die Vereinten Nationen wollen auf ihrem ersten Nothilfegipfel in Istanbul zusätzlich 500 Millionen US-Dollar (rund 440 Millionen Euro) zur Eindämmung humanitärer Krisen bereitstellen. Das teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin mit. An dem Kongress an diesem Montag in Istanbul nehmen neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) teil.
Seibert sprach von drei Hauptzielen des Gipfels: Erstens eine stärkere Vernetzung von Soforthilfe und längerfristiger Entwicklungszusammenarbeit. Zweitens eine verlässliche Basis der Finanzierung von Hilfsprojekten unter anderem durch die Verdoppelung des UN-Nothilfeprogramms auf eine Milliarde US-Dollar sowie eine stärkere Beteiligung arabischer Länder und Chinas als Geldgeber. Drittens eine kollektive Selbstverpflichtung zur Umsetzung des humanitären Völkerrechts, um Hilfe für Zivilisten zu sichern.
Eine Rolle spielen soll auch die Frage, ob Bargeld als Hilfswährung stärker in den Fokus rückt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon empfahl zuletzt diese Art der Unterstützung. „Wo es die Märkte und der Operationsrahmen zulassen, sollten Bargeld-Programme die bevorzugte und erste Unterstützungsmethode sein“, heißt es im Bericht zum ersten Weltgipfel zur humanitären Hilfe.
Man habe „gute Erfahrungen“ damit gemacht, Bargeld zu verwenden, heißt es etwa von Karl-Otto Zentel, Generalsekretär von Care Deutschland-Luxemburg. Weil Geld fließe, würden lokale und regionale Märkte der Krisengebiete stimuliert. Auch die Geldgeber stünden „Cash“-Zahlungen immer offener gegenüber.
Unterschieden werden drei Formen der Geldhilfe: Arbeitsprogramme, Geld in bar oder auf Konten ohne daran geknüpfte Bedingungen. Dieses können die Menschen nach eigenem Gutdünken etwa für Decken, Kleidung, Essen, Schulbesuch oder Gesundheitskosten ausgeben. Und drittens Gutscheine, die bei vorher ausgesuchten Händlern eingelöst werden können.
Bislang bringen die Organisationen meistens noch Decken, Planen, Zelte, Kochsets, Hygieneartikel, Getreide, Öl, Gemüse und anderes zu den Menschen. Die US-Denkfabrik Zentrum für Globale Entwicklungen kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis: Nur sechs Prozent der Hilfsgelder werden bar ausgezahlt. Die Zielgröße für das Jahr 2030 ist bei vielen die Hälfte der Hilfsleistungen.
Vor einigen Jahren sei noch viel über mögliche Nachteile der Geldzahlungen diskutiert worden, sagt Stefan Hagelüken, Referent Humanitäre Hilfe bei World Vision. „Missbrauch des Geldes für Sex, Drogen, Alkohol“, zählt er als Beispiele auf. Aber Nachfolgeuntersuchungen wie etwa Messungen des Armumfangs bei Kindern etwa in Südsudan, Simbabwe oder Somalia hätten ergeben: Das Geld werde in der überwiegenden Mehrheit für das Wohl der Familie eingesetzt.
Allerdings sei Geld nicht immer das Mittel der Wahl. „Wenn die Regale leer sind, bringt es nichts, Geld zu geben“, sagt Hagelüken. Außerdem könne es sein, dass durch die größere Nachfrage die Händler die Preise nach oben treiben. Dagegen helfe es, Monopole aufzubrechen, mit den Händlern Verträge abzuschließen oder die Verteilung des Bargeldes nicht an einem Tag durchzuführen, sondern zu entzerren.
Vor allem aber, betonen die Helfer, gehe es bei alldem um die Würde und die Selbstbestimmung der Betroffenen. „Die Menschen bekommen, was sie wirklich brauchen, und nicht das, was wir denken, was sie brauchen“, sagt Owen Barder vom Zentrum für Globale Entwicklungen. Eine Studie habe auch gezeigt, dass 70 Prozent der Syrer im Irak Hilfsgüter verkauften, um andere Dinge zu kaufen - und zwar meist weit unter dem Marktwert.
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