Unversicherte Patienten – Teil II
Es ereignete sich jüngst das, was sich leider nicht allzu selten abspielt: Ein Arztkollege aus einer anderen Arztgruppe hat versucht, mir einen unversicherten Patienten „unterzuschieben”. Dieses Wort „unterschieben” klingt wirklich hässlich, und mit langem Zögern erst benutze ich es an dieser Stelle, weil wir doch immerhin hier über einen kranken Menschen reden, aber es beschreibt das nagende und dumpfe Gefühl, das in mir herrscht am besten.
Was war passiert? Ein 23-jähriger drogenabhängiger Patient – ohne Krankenversicherung – stellte sich in der Notaufnahme wegen mehrerer Abszesse im Arm-, aber auch Rektalbereich vor. Er war schwer krank und wurde in jener Nacht von einem Dr. P., einem Internisten, der für alle unversicherten Patienten in jener Nacht zuständig war, aufgenommen. Dr. P. hat seine eigene Arztgruppe und nimmt viele Patienten auf und gilt als geldorientiert.
Ein Diastolikum und schlechte Blutwerte legten bei jenem Patienten schnell den Verdacht einer Endokarditis nahe, was angesichts des jungen Alters des Patienten tragisch wäre. Und da er keine Krankenversicherung besitzt, würde er beim aufnehmenden Arzt potenziell sechs Wochen bis zur Ausbehandlung der Endokarditis hospitalisiert bleiben. Denn die ambulante Antibiose würde nicht bezahlt werden, und eine vorzeitige Entlassung und damit nur teilbehandelte Endokarditis wäre ein massives medizinisches und juristisches Haftungsproblem. Ganz zu schweigen vom erhöhten Risiko einer juristischen Klage sollte die Behandlung nicht so reibungslos laufen, wie man sie sich erhofft.
Erwähnt werden muss weiterhin, dass der Arzt für diese Behandlungswochen überhaupt kein Einkommen erhalten wird – denn wer bezahlt seine Rechnungen, wenn der Patient kein Geld und keine Versicherung hat? Das mag Dr. P. wohl durch den Kopf gegangen sein, als er ein hochblasiges Diastolikum beim Patienten auskultierte.
So schrieb Dr. P. die Anweisung „Verlegung auf Station zu Dr. Petrulus” und gab der Krankenschwester mündlich zu verstehen, dass der Patient in so hohen Tönen von meiner Kompetenz geschwärmt hätte, dass er gerne von mir behandelt werden wolle, also eine Verlegung ganz im Interesse des Patienten und auch meines Interesses sei.
So erhielt ich nichtsahnend einen Anruf und nahm zunächst den Patienten an – ich will doch helfen! Doch allmählich offenbarte sich mir der Sachverhalt, und mir wurde klar, dass jener Dr. P. den Patienten einfach nur bei mir „abladen”, bzw. mir „unterschieben” wollte und mich jener Patient gar nicht namentlich kannte. Lange Diskussionen folgten, Dr. P. sprach von einem Kommunikationsfehler und nahm den Patienten wieder zu sich auf Station, „er habe dem Patienten doch nur einen Gefallen tun wollen”….
Wer’s glaubt, wird selig. Denn es wird getrickst, wenn es ums Geld geht. Die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung bringt zwar viele Probleme mit sich, behebt aber dafür andere – wie dieses zum Beispiel.
Wobei noch hervorzuheben sei, dass der Patient, der seine Erkrankung weitestgehend selbst verschuldet hatte, sich an jenem Tag über uns Ärzte und das Hin und Her beschwerte. Das empfand ich als dreist, denn er trug klar die Hauptschuld, nicht nur an seiner Erkrankung, sondern auch an seinem Versicherungsstatus: Er hätte sein Geld statt in Drogen auch in eine Krankenversicherung investieren können. Niemand zwang ihn dazu, die staatlichen Entzugsprogramme nicht zu besuchen und stattdessen die Nadeln in seine Haut und Venen zu schieben.
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