Vom Arztdasein in Amerika

US-Beamten denken anders

  • Freitag, 28. Oktober 2011

Eine meiner Patientinnen hatte finanzielle Probleme; aufgrund von Arbeitslosigkeit war sie mit ihrer vierköpfigen Familie unter die Armutsgrenze gerutscht. Ihren Praxistermin verbrachte sie bei mir damit, statt über ihren Blutzucker über ihre Finanzen und diverse Dokumenten zu reden.

So erfuhr ich, auf welchem Niveau die US-Armutsgrenze für eine vierköpfige Familie liegt:  Abhängig vom US-Bundesstaat liegt die Grenze bei einem Jahreseinkommen von $22.350,00 bis $27.940,00. Das entspricht knapp $1.860 beziehungsweise $2.320 pro Monat. Für Alleinstehende liegt dieser Wert bei knapp $1.000 pro Monat.

Da ihr Einkommen unter dieses Niveau abgesunken war, hatte sie Anspruch auf bundes- und nationalstaatliche Geldleistungen wie z.B.  Mietzuzahlung, Anspruch auf eine staatliche und damit kostenfreie Krankenversicherung und Lebensmittelgutscheine.

Als Arzt fiel mir die Aufgabe zu, mehrere Dokumente auszustellen, die ihre jeweiligen Krankheiten bescheinigten; außerdem hoffte sie, dass ich körperliche Einschränkungen feststellen würde und sie somit Invalidenrente erhalten könne.

Als ihr Antrag auf Krankenversicherung bewilligt wurde, sprach ich mit zwei der zuständigen Sachbearbeiter, um kleinere Fragen noch zu klären. Ich dankte dabei im Namen der Patientin angesichts der finanziellen Erleichterungen, die sie nun erfuhr. Unvergessen bleibt mir die Antwort der Beamten: „Mir müssen sie nicht danken. Denn Sie zahlen mit Ihren Steuern ihre Hilfszahlungen. Danken Sie sich selbst“.

Aus dem Mund eines deutschen Beamten habe ich solches noch nicht vernommen, daher meine Überraschung. Doch hatten diese US-Beamten nicht recht? Es war doch u.a. mein Steuergeld, das hier verteilt wurde. Ob wir beim nächsten Griechenlandpaket ein Dankeschön von Angela Merkel, Wolfgang Schäuble und Konsorten wohl hören  werden? „Danke liebe Deutsche, dass Sie so großzügig sind“?

mis

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