US-Gynäkologen warnen vor Marihuana in Schwangerschaft und Stillzeit

Washington - Angesichts einer zunehmenden Anzahl von US-Staaten, die Cannabis legalisieren, warnt das American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) vor den Risiken, die ein Konsum während Schwangerschaft und Stillzeit, für das werdende Kind bedeuten. Ein Positionspapier in Obstetrics and Gynecology (2015; 126: 234-8) fasst die derzeitigen medizinischen Erkenntnisse zusammen.
Bereits vor der Teil-Legalisierung war Cannabis die beliebteste Droge in den USA, auf die viele weibliche Konsumenten auch während einer Schwangerschaft nicht verzichten mochten. Nach Recherchen der ACOG rauchten 2 bis 5 Prozent aller Schwangeren hin und wieder einen „Joint“.
Tatsache ist aber: Tetrahydrocannabinol (THC), der wichtigste Bestandteil aller Cannabisprodukte, passiert die Plazentaschranke. In Tierexperimenten wurde im Blut der Feten etwa 10 Prozent der mütterlichen Konzentration gemessen. Tatsache ist auch: THC gelangt in das Gehirn der Feten. Es bindet dort an Typ 1 Cannabinoid-Rezeptoren, die ab der 14. Gestationswoche im Gehirn der Feten nachweisbar sind.
Zu den Folgen gehören Entwicklungsstörungen, die in Tierexperimenten an Nagern gut dokumentiert sind. Beobachtet wurden Störungen der Motorik, der Kognition, Veränderungen des emotionalen Verhaltens und nicht zuletzt eine gesteigerte Neigung zum Drogenkonsum im späteren Leben. Wegen der Wirkungen auf das Gehirn betrachten einige Pharmakologen THC und andere Cannabinoide als Neuroteratogene. Allein dies sollte nach Ansicht des ACOG Frauen während der Schwangerschaft vom Cannabiskonsum abhalten.
Die Ergebnisse von Tierexperimenten lassen sich jedoch nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen. Ob und wie stark Cannabis den menschlichen Feten schädigt, lässt sich in epidemiologischen Studien nur schwer untersuchen, da die meisten Cannabis-Konsumentinnen auch zu Alkohol, Tabak und illegalen Drogen greifen. Cannabis-Konsumentinnen sind oft sozioökonomisch benachteiligt, sie vernachlässigen auch in anderen Bereichen ihre Gesundheit.
Dies erschwert die Beurteilung von Assoziationen, die in etlichen Studien beobachtet wurden. Es bleibt nach Einschätzung der ACOG beispielsweise unklar, ob die in einer Studie entdeckte erhöhte Rate von Anenzephalien auf den Konsum von Cannabis oder doch eher auf die seltenere präventive Einnahme von Folsäurepräparaten zurückzuführen ist. Ähnliches gilt für die schlechtere visuell-motorische Koordination und die Konzentrationsstörungen vieler Kinder oder deren schlechtere schulische Leistungen.
Die meisten, aber nicht alle von der ACOG angeführte Studien zeigen, dass intrauterin mit Cannabis exponierte Kinder einen kleineren Kopfumfang und ein niedrigeres Geburtsgewicht haben. Die klinische Relevanz dieses Befundes sei allerdings unklar, schreibt die ACOG, und ein erhöhtes Risiko von Frühgeburten konnte bisher nur in wenigen Studien nachgewiesen werden. In einer Studie war allerdings das Risiko auf eine Totgeburt signifikant erhöht.
Die Frage, ob Cannabis-rauchende Mütter ihre Neugeborenen durch das Stillen schädigen, ist nach Einschätzung des ACOG ebenfalls unzureichend untersucht. Tatsache ist: THC tritt in die Muttermilch über und kann beim gestillten Säugling in den Faeces nachgewiesen werden. Welche Schäden die Cannabis-Droge bei der Passage durch den Organismus des Neugeborenen hinterlässt, wurde laut ACOG bisher kaum untersucht. Da sich eine Schädigung nicht ausschließen lasse, rät die ACOG den stillenden Frauen dringend, auch während der Stillzeit auf den Konsum von Cannabis zu verzichten.
Die ACOG lehnt es auch ab, Frauen aus medizinischen Gründen Cannabisprodukte während Schwangerschaft oder Stillzeit zu verschreiben. Die Patientinnen sollten während dieser Zeit auf andere Medikamente ausweichen, deren Sicherheit besser untersucht sei, heißt es in der Empfehlung.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: